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Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)

Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)

Titel: Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Schneider
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auftauchen.
Was soll das aber mit Ihrem Einbruchsversuch zu tun haben?«
    »Awer do
wohne doch mei Alte, wescht net?«
    Ich benötigte
einen Moment, um seinen Satz zu übersetzen und die Tragweite zu verstehen.
    »Meinen
Sie mit ›Alte‹ Ihre Eltern? Die wohnen hier bestimmt nicht. In diesem Haus wohnt
ein älteres Ehepaar ohne Kinder.«
    »Ne, ewe
nett. Ich bin de Gottfried Ackermann, do drin in dem Haus wohne mei Alte, wescht,
was ich mään?«
    Die Situation
überstieg meine Vorstellungskraft. Dieser Punker sollte der Sohn meiner gefürchteten
Nachbarin sein? Das wäre so abstrus, als würde die Bundesregierung ein neues Gesetz
herausbringen, um Weihnachten in den Sommer zu verlegen, mit der Begründung, die
Feiertage gleichmäßiger übers Jahr zu verteilen.
    »Noch mal,
ganz langsam. Sie wollen der Sohn dieses netten Ehepaars sein, das in diesem Haus
wohnt? Warum habe ich Sie dann noch nie gesehen?«
    »Des ist
doch klar, ich war schunn ä paar Johr nimmi dehääm. Domols hänn mei Alte wuanerscht
gewohnt, wescht, was ich mään?«
    Grundsätzlich
konnte er recht haben. Wir befanden uns schließlich in einem Neubaugebiet. Vor wenigen
Jahren waren hier Mohrrüben-Äcker.
    »Und warum
suchen Sie jetzt Ihre Eltern? Haben Sie vorher angerufen?«
    Wieder klimperten
seine Piercings. »Ich bin doch pleite. Vun Berlin bis doher bin ich schwarz gfahre.
Die hänn mich a blos dreimol erwischt, die Bulle, wescht?« Schlagartig wurde er
rot. Ihm war sicherlich eingefallen, dass er einem Polizisten gegenüberstand. Doch
mit solchem Kleinkram wollte ich mich wirklich nicht befassen.
    »Anscheinend
sind Ihre Eltern nicht zu Hause. Kommen Sie später wieder.«
    »Wu soll
ich dann hi? An eierm Bahhof gibt’s jo ned ämol ä Szen. In de Kneip hännse zwar
Bier, awer die wolle Geld defier hawe, wescht, was ich mään?«
    »Am besten,
Sie warten vorne an der Straße auf Ihre Eltern. Dann sehen Sie sie gleich und umgekehrt.
Nicht, dass Ihre Eltern erschrecken, wenn sie Sie in ihrem Garten herumlungern sehen.«
    Meine Neugierde
trieb mich zu einer weiteren Frage.
    »Kennen
Ihre Eltern eigentlich Ihr momentanes Outfit?«
    Er schaute
oberflächlich an sich herunter. »Stimmt domit ebbes net? Die Hosse hab ich schon
seit ä paar Monat a. Mei dolle Frisur is awer noch net so alt. Ich hab amol ä Glaz
ghabt. Ich bin vor ä paar Johr vun deheem fortgegange, weil mein Vatter mich uffgeregt
hot. Ich soll endlich mol eegenes Geld verdiene, hot er gmeent. Alla hopp, do hab
ich dann in Berlin ä Lehr als Gärtner agfange. Des war ma dann awer noch ä paar
Woche zu schwer, dess ganze Bicke do de ganze Tag, wescht, was ich mään?«
    Während
seiner Rede waren wir nach vorne gegangen. Er setzte sich auf die Eingangsstufen
seines Elternhauses, und ich verabschiedete mich, nicht ohne ihm zu sagen, dass
ich ihn weiter beobachten werde, solange Ackermanns nicht da wären.
    Das konnte
heiter werden. Frau Ackermann und ihr Sohn, der Punker. So was hatte die Welt noch
nicht gesehen. Ich öffnete meine Haustür, und mit einem Schlag landete etwas in
meinem Bauch.
    »Geil, dass
du da bist!«
    Es war Paul,
der mit einem Sprung angeflogen kam. Eine tolle Begrüßung, fand ich, von den Schmerzen
mal abgesehen.
    »Papa, ich
hab das Monopoly aufgebaut. Wenn nachher mein Bruder kommt, dann kann ich gleich
mit ihm zocken. Mit dir zu spielen macht einfach keinen Spaß mehr. Meine Schummeltricks
sind so einfach, und du raffst nie etwas. Das will ich alles meinem Bruder beibringen.
Darf ich solange aufbleiben, bis er da ist?«
    Um Himmels
willen, lag Stefanie bereits in den Wehen? Ich schob meinen Sohn beiseite und ging
ins Wohnzimmer. Meine Frau saß auf der Couch und las eines ihrer Frauenmagazine.
    »Alles in
Ordnung, mit dir?«, fragte ich. »Paul hat so ein paar Andeutungen gemacht.«
    Stefanie
lachte und streichelte sich über den Bauch. »Ja, ich weiß, der nervt schon den ganzen
Tag. Er ist von der fixen Idee besessen, dass sein Bruder jeden Moment als Sturzgeburt
geboren wird und er ihn sofort in sein Kinderzimmer mitnehmen kann. Du ahnst nicht,
was er alles mit seinem Bruder machen möchte.«
    Sie wurde
eine Spur ernsthafter. »Du, Reiner, wenn er statt eines Bruders eine Schwester bekommt,
wird es wohl zu einem Eklat kommen. Dann kümmerst du dich bitte um ihn, schließlich
hast du ihm diese Flausen in den Kopf gesetzt.«
    Wie hatte
ich diese Bemerkung zu interpretieren? Meine Frau wusste schließlich, welches Geschlecht
unser Nachwuchs haben würde.

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