Pilot Pirx
versunken war. Das Felsgestein erinnerte durch seine Glätte tatsächlich an ein poliertes Skelett oder an einen riesigen Totenschädel. Pirx befahl dem Fahrer, bis auf den Kamm hinaufzufahren. Die Raupenketten kreischten auf, als scheuerten sie über Glasscheiben. »Stopp!« schrie Pirx, und der plötzlich abgebremste Transporter schlug mit dem Bug vornüber aufs Gestein. Er schwankte, die Stoßdämpfer quietschten unter der Überbelastung, dann stand das Fahrzeug still.
Pirx schaute in einen flachen Talkessel hinunter, der zu beiden Seiten von strahlenförmig auseinanderlaufenden, abgerundeten Wällen alter Magmaströme eingefaßt war. Zwei Drittel dieser ausgedehnten Senke lagen im grellen Sonnenlicht,’ über das andere Drittel war das Leichentuch undurchdringlicher Schwärze gebreitet. In dieser samtenen Finsternis glühte wie ein unheimliches Kleinod das zur Hälfte aufgeschlitzte Skelett eines Fahrzeugs und verglomm rubinrot. Nur der Chauffeur und Pirx konnten es sehen, denn die Panzerluken waren herabgelassen. Um es offen zu sagen: Pirx wußte nicht, was er machen sollte. Das ist einer von den Transportern! dachte er. Wohin zeigt sein Bug? Nach Süden? Scheint also einer von der Baustelle zu sein. Aber wer hat ihn aufs Korn genommen – der Setaurus? Dann stehe ich hier wie ein Idiot, weithin sichtbar – wir müssen in Deckung gehen! Doch wo sind die anderen Fahrzeuge, die von der Baustelle und meine?
»Da ist er!« schrie der Funker. Er schloß den Apparat des Transporters ans Bordnetz an, so daß alle die Signale in ihren Helmen mithören konnten.
»Aximo-Portativ-Geschiebefeld – Gewebsumschlossene Wand – Wiederholung bei Umkehr hinfällig – Zielerreichung nach Azimut – Polykristalline Metamorphisierung ...«, sagte eine Stimme in Pirx’ Kopfhörer deutlich, monoton und ohne jegliche Intonation.
»Das ist er!« brüllte Pirx. »Der Setaurus! Hallo, Funker! Peilen, schnell, peilen! Bitte Peilung durchgeben! Los, zum Donnerwetter! Schnell, solange er noch sendet!«
Er brüllte so laut, daß der eigene Schrei, durch den geschlossenen Raum des Helms noch verstärkt, ihn fast betäubte. Ohne abzuwarten, bis der Funker reagierte, sprang er vom Sitz, duckte sich unter dem kleinen Kuppeldach, packte den Doppelgriff des schweren Lasergeräts und begann ihn zusammen mit der Kuppel zu drehen, während er die Augen schon am Visier hatte. Die tiefe, gleichsam traurige, eintönige Stimme in den Kopfhörern sprach weiter: »Komplizierte viskosale Doppelglühschwachfärbung – nicht abgerundete Segmente ohne neuerliche Satteleinschlüsse ...« Dann schien das sinnlose Gestammel schwächer zu werden.
»Was ist denn mit der Peilung, verdammt noch mal?«
Ohne die Augen vom Visier loszureißen, hörte Pirx ein undeutliches Rumoren – McCork war nach vorn gekommen, schob den Funker beiseite, irgendwas polterte ...
Auf einmal vernahm er die ruhige Stimme des Kybernetikers in den Kopfhörern: »Azimut 39,3 ... 40,0 ... 40,1 ... 40,2 ...«
Er bewegt sich! sagte sich Pirx. Die Kuppel mußte mit einem Drehgriff bewegt werden, fast sprang ihm der Arm aus dem Gelenk, so schnell kurbelte er. Die kleinen Ziffern krochen nur träge vorwärts. Die rote Linie überschritt die Vierzig.
Plötzlich schrumpfte die Stimme des Setaurus zu einem gellenden Piepen zusammen und verstummte dann vollends. Im selben Augenblick drückte Pirx auf den Abzug, und einen halben Kilometer tiefer, unmittelbar an der Grenze zwischen Licht und Schatten, versprühten die Felsen ultravioletten Feuerschein.
Es überstieg fast eines Menschen Kraft, in den dicken Handschuhen die Hebel unbeweglich zu halten. Eine Flamme, heller als das Sonnenlicht, bohrte sich in die Finsternis des Talkessels, Dutzende Kilometer von dem verglimmenden Fahrzeugwrack entfernt; sie verharrte auf der Stelle und drang dann, nachdem sie zweimal Funkengarben in die Luft geschleudert hatte, als glutspeiende Linie weiter vor. Ein Plärren erklang in den Kopfhörern, doch Pirx schenkte dem keine Beachtung. Er schoß unaufhörlich weiter mit dieser unheimlich feinen, furchtbaren Feuerlinie, so lange, bis sie auf einen Felspfeiler auftraf und in Tausende von zentrifugalen Querschlägern zerstob. Vor Pirx’ Augen ballten sich rotwirbelnde Kreise, doch durch diesen Strudel hindurch sah er ein grelleuchtendes blaues Auge, kleiner als ein Nadelöhr, das sich tief im Grunde der Finsternis auftat, und irgendwo seitwärts, nicht dort, wohin er schoß. Doch ehe er noch die Hebel
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