Pilot Pirx
daß der Kommandant angesichts der Situation verpflichtet war, eine konkrete Entscheidung zu treffen und diese dem Piloten in Form eines Befehls zu übermitteln, Herr Zeuge?«
»Herr Staatsanwalt, die Instruktion sieht nicht vor ...«
»Sie haben sich nur an das Tribunal zu wenden.«
»Sehr wohl. Hohes Tribunal, in der Instruktion sind keineswegs sämtliche Umstände berücksichtigt, die an Bord eintreten können. Im übrigen wäre das auch nicht möglich. Wenn dies möglich wäre, würde es genügen, daß jedes Besatzungsmitglied die Vorschrift auswendig lernte, und ein Kommandant wäre dann völlig überflüssig.«
»Herr Vorsitzender, die Anklage protestiert gegen derlei ironische Bemerkungen des Zeugen!«
»Sie wollen bitte einfach und präzise die Fragen des Anklägers beantworten, Herr Zeuge.«
»Sehr wohl. Ich bin also nicht der Meinung, daß der Kommandant in dieser Situation besondere Befehle erteilen mußte. Er war anwesend. Er sah und wußte, was vorging. Wenn er schwieg, bedeutete das, daß er gemäß Paragraph zweiundzwanzig der Bordinstruktion dem Piloten gestattete, nach eigenem Ermessen zu handeln.«
»Hohes Tribunal, der Zeuge legt den Wortlaut des Paragraphen zweiundzwanzig der Bordinstruktion falsch aus. In diesem Falle ist Paragraph sechsundzwanzig maßgebend, der Gefahrensituationen behandelt.«
»Hohes Tribunal, die Situation an Bord des ›Goliath‹ stellte weder für das Raumschiff noch für die Gesundheit oder das Leben der Besatzung eine Gefahr dar.«
»Hohes Tribunal, der Zeuge beweist hiermit eindeutig seine Böswilligkeit, denn anstatt eine objektive Wahrheitsfindung anzustreben, versucht er per fas et nefas, die Handlungsweise des Angeklagten Pirx, des Kommandanten des Raumschiffs, zu rechtfertigen! Die Situation, in der sich das Raumschiff befand, fällt zweifelsohne unter den Paragraphen sechsundzwanzig!«
»Hohes Tribunal, der Ankläger kann doch nicht gleichzeitig auch noch die Funktion eines Sachverständigen und Experten für den Tatbestand übernehmen!«
»Ich entziehe dem Zeugen das Wort. Das Tribunal behält sich hierzu vor, die Frage nach der Kompetenz der Paragraphen zweiundzwanzig oder sechsundzwanzig der Bordinstruktion gesondert zu klären. Fahren Sie in der Beschreibung der Vorfälle an Bord fort, Herr Zeuge.«
»Calder stellte dem Kommandanten zwar keinerlei Fragen, aber ich bemerkte, daß er ein paarmal zu ihm hinsah. Unterdessen hatte er den Schub der eingekeilten Sonde ausgeglichen, so daß es nicht mehr schwer war, das Raumschiff zu stabilisieren. Als die Flugstabilität wiederhergestellt war, entfernte sich Calder vom Ring, aber er verlangte keine Berechnungen des Rückflugkurses von mir – ich glaubte also, er würde trotzdem versuchen, unseren Auftrag zu Ende zu führen. Als wir über die Roche-Grenze hinaus waren, so gegen sechzehn Uhr, signalisierte er Spitze und versuchte sofort, die Sonde abzuschießen.«
»Das heißt?«
»Nun ja, er schaltete die Signale für die Spitzenbelastung ein und gab dann zuerst vollen Schub rückwärts und dann vollen Schub vorwärts. Die Sonde wiegt drei Tonnen. Bei voller Beschleunigung muß sie fast zwanzigmal soviel wiegen. Sie hätte also wie eine Erbse aus der Rampe fliegen müssen. Da er zehntausend Meilen Spielraum hatte, führte er diese Schubstöße zweimal hintereinander aus, aber ohne Ergebnis. Er hatte nur erreicht, daß die Deflexion noch zunahm. Wahrscheinlich hatte sich die Sonde durch die heftige Beschleunigung noch fester in der Rampe verklemmt und ihre Lage so geändert, daß der ganze Abgasstrahl gegen das angelehnte Außenluk schlug, zurückprallte und in den Raum entwich. Die Schubstöße waren unangenehm für uns und auch ein wenig riskant, weil nunmehr feststand, daß die Sonde, falls sie sich überhaupt löste, wahrscheinlich ein Stück vom Außenpanzer mitreißen würde. Es sah ganz so aus, als ob wir gezwungen sein würden, ein paar Männer im Skaphander mit Werkzeug auf den Panzer hinauszuschicken oder auch umzukehren und die verd... Verzeihung ... die eingeklemmte Sonde mitzuschleppen.«
»Versuchte Calder denn nicht, das Triebwerk der Sonde auszuschalten?«
»Das konnte er nicht, Herr Richter, weil das Steuerkabel, das die Sonde mit dem Mutterschiff verband, schon durchbrochen war. Es blieb also nur die Funksteuerung, aber die Sonde steckte direkt im Ausgang der Rampe und war durch deren Metallschutz abgeschirmt. Wir flogen etwa eine Minute und entfernten uns von dem Planeten, und ich
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