Pilot Pirx
einen Kilometer, fuhren mit Höchstgeschwindigkeit und zogen lange, scheinbar starre Staubschweife hinter sich her. Zur gleichen Zeit erschienen dicht am Rande des Steilabfalls zwei große Hände, die aussahen wie die eines Menschen, nur daß sie in riesigen Metallhandschuhen steckten – und so schnell, daß Pirx nicht mehr zurückweichen konnte, folgte ihnen der Setaurus nach. Kaum zehn Meter lagen zwischen ihnen. Pirx erkannte deutlich die den Kopf ersetzende massive Wölbung zwischen den mächtigen Schultern, in der unbeweglich die Gläser der Optik glänzten wie zwei schwarze, weit auseinanderstehende Augen. Und dann das mittlere, dritte, schreckliche unter dem momentan geschlossenen Lid des Laserwerfers! Pirx hielt seinen Werfer zwar schußbereit in der Hand, aber der Roboter besaß ein ungleich schnelleres Reaktionsvermögen als er. So versuchte Pirx erst gar nicht, in Deckung zu gehen – er erstarrte einfach im grellen Sonnenlicht mit eingeknickten Knien, so wie ihn der andere überrascht hatte, als er sich gerade aufrichten wollte. Und nun schauten sie einander an: die Statue eines Menschen und die Statue einer Maschine, beide in Metall gehüllt.
Plötzlich zerriß ein entsetzlicher Feuerschein den Raum vor Pirx, ein glühender Schlag riß ihn von den Beinen, er wurde rücklings zu Boden geschleudert. Pirx verlor nicht das Bewußtsein, und im Sekundenbruchteil des Sturzes empfand er nur Verwunderung, denn er hätte schwören mögen, daß nicht der Setaurus auf ihn geschossen hatte – dessen dunkles und blindes Laserauge hatte er ja ständig beobachtet!
Er fiel auf den Rücken, denn der Blitz zuckte seitlich an ihm vorbei, aber ganz offensichtlich war auf ihn gezielt worden, weil der entsetzliche Feuerstrahl einen Augenblick danach erneut aufblitzte und einen Teil der Felsnadel wegriß, die ihm vorher Schutz geboten hatte. Flüssiges Mineral spritzte umher und verwandelte sich noch im Fluge in ein gleißendes Spinngewebe. Aber diesmal rettete ihn der Umstand, daß sie auf einen Punkt in Mannshöhe zielten – sie, die Besatzung des ersten Transporters. Pirx wälzte sich auf die Seite, und da erblickte er den Rücken des Setaurus, der reglos und starr, wie aus Bronze gegossen, zweimal seine violette Sonne aufblitzen ließ. Selbst aus dieser Entfernung war zu erkennen, wie es dem Transporter die ganze Raupenkette mit den Rollen und dem Antriebsrad wegriß. Eine riesige Wolke aus Rauch und leuchtenden Gasen wurde hochgewirbelt – der nächste Transporter war geblendet und konnte nicht mehr schießen.
Der Zweieinhalbmeterriese sah ruhig auf den Mann herab, der zu seinen Füßen lag und seine Waffe umklammerte; er drehte sich um und ging leicht in die Knie, um mit einem Satz dorthin zurückzukehren, woher er gekommen war. Aber da schoß Pirx. Eigentlich wollte er den Setaurus nur zu Fall bringen, doch in dieser äußerst unbequemen Haltung – seitlich auf den Ellenbogen gestützt – zitterte er sehr, als er den Abzug betätigte, und eine Feuerklinge schlitzte den Riesen von oben bis unten auf, so daß er nur noch als glühender Eisenkoloß auf den Grund der Geröllhalde hinunterpolterte.
Die Besatzung des zerstörten Transporters war mit heiler Haut, ja sogar ohne Verbrennungen davongekommen, und Pirx erfuhr, allerdings erst viel später, daß sie auf ihn geschossen hatten, weil sie den Setaurus vor dem dunklen Hintergrund der Steilwand gar nicht bemerkt hatten. Dem wohl noch unerfahrenen Richtschützen war nicht einmal aufgefallen, daß die Gestalt, die er aufs Korn nahm, die helle Farbe eines Aluminiumskaphanders hatte. Pirx war fast sicher, daß ihm der nächste Schuß den Garaus gemacht hätte. Der Setaurus hatte ihn gerettet – aber war er sich dessen bewußt gewesen? Immer wieder kehrte Pirx in Gedanken zu diesen letzten Sekunden zurück, und es wurde ihm mehr und mehr zur Gewißheit, daß der Roboter an einer Stelle gestanden hatte, von der aus er sehr wohl beurteilen konnte, auf wen da geschossen wurde. Hieß das, daß der Setaurus ihn retten wollte? Darauf konnte ihm niemand eine Antwort geben. Die Intellektroniker hielten das Ganze für ein »Zusammentreffen verschiedener Umstände«, doch keiner vermochte diese leere Behauptung mit Fakten zu beweisen. So etwas war eben noch nicht vorgekommen, die Fachliteratur vermerkte nicht einen einzigen ähnlichen Fall. Alle waren der Auffassung, Pirx hätte gehandelt, wie er hätte handeln müssen – aber das genügte ihm nicht. Noch lange Jahre
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