Pilot Pirx
schwierigen Gipfelbesteigung aufgebrochen. Es müsse demnach etwas vorgefallen sein, was ihn zu diesem Tun veranlaßt habe.
Pirx schwieg. Im stillen hatte er bereits den Entschluß gefaßt, den Einstieg in die Wand zu wagen, selbst wenn ihn keiner der Gefährten begleiten sollte. Krull wäre ohnehin nicht dazu imstande gewesen, denn die Sache erforderte bergsteigerisches Können, und zwar ziemlich hohes. Von Massena hatte Pirx sagen hören, er sei früher viel geklettert, und kenne sich angeblich recht gut in der Hakentechnik aus ... Als die anderen verstummt waren, erklärte er also schlicht, er wolle die Wand angehen, und fragte, ob Massena bereit sei mitzukommen.
Krull opponierte augenblicklich. Die Dienstvorschrift verbiete es, sich einer Gefahr auszusetzen. Am Nachmittag würde die »Ampere« kommen, um sie zu holen, und vorher müßten sie noch die Baracke abbauen und die Sachen packen. Die Messungen seien vorgenommen worden, der Roboter sei ganz offensichtlich das Opfer einer Havarie geworden. Folglich habe man ihn als verschollen zu betrachten, und das bedeute, daß man im Abschlußbericht die näheren Umstände darlegen müsse.
»Soll das heißen, daß wir ihn hier zurücklassen und allein abfliegen?« fragte Pirx.
Seine Ruhe schien Krull zu verärgern, denn er hielt nur mit Mühe an sich, als er erwiderte, in dem schon erwähnten Bericht würde man die einzelnen Vorfälle genauestens beschreiben, die Meinung sämtlicher Expeditionsmitglieder dazu einholen und die Ursache angeben, die am wahrscheinlichsten sei: Beschädigung der Gedächtnismnestronen oder der Richtungsmotivationsleitung, möglicherweise aber auch Desynchronisierung ...
Hier griff Massena ein. Er bemerkte, daß weder ersteres der Fall sein könne noch das zweite und das dritte, weil Aniel überhaupt keine Mnestronen besäße, sondern nur ein homogenes monokristallines System, das molekular aus unterkühlten, mit Spurenelementen von Isotopenelementen befruchteten diamagnetischen Lösungen gezüchtet worden sei ...
Offensichtlich wollte er Krull den Wind aus den Segeln nehmen, indem er ihm klarmachte, daß er da von Dingen sprach, von denen er keine Ahnung hatte. Pirx hörte einfach nicht mehr hin. Er kehrte ihnen den Rücken und schätzte erneut den Sockel des Pfeilers ab, nun schon anders als vorher – die Vorstellung war Realität geworden, und obwohl ihm nicht ganz wohl war in seiner Haut, spürte er doch eine innere Genugtuung bei dem Gedanken, sich mit diesem Berg zu messen.
Massena entschloß sich mitzukommen, vielleicht, weil er sich Krull auf diese Weise endgültig widersetzen wollte. Pirx schnappte nur ein paar Brocken von dem Gespräch auf. Massena erklärte, diesem Rätsel müsse man unbedingt auf den Grund gehen, denn wenn sie einfach zurückkehrten, ohne etwas zu unternehmen, bliebe womöglich ein ebenso wichtiges wie geheimnisvolles Phänomen unberücksichtigt, das die unvermutete Reaktion des Roboters ausgelöst habe, und selbst wenn eine derartige Erscheinung nur mit einer Wahrscheinlichkeit von fünf zu hundert gegeben sei, wäre schon das eine völlig ausreichende Rechtfertigung für das Risiko des Aufstiegs.
Krull konnte Niederlagen verkraften, das mußte man zugeben; er verlor kein Wort mehr über die Angelegenheit. Schweigen trat ein. Massena nahm die Apparaturen vom Rücken, und Pirx, der mittlerweile sein Seil, den Hammer und die Haken hervorgeholt und die schweren Schuhe gegen seine Kletterschuhe vertauscht hatte, schielte verstohlen zu ihm hinüber. Massena war ein bißchen aufgeregt, Pirx wußte das – weniger wegen seiner Auseinandersetzung mit Krull, das war klar, sondern wahrscheinlich, weil er sich da nicht gerade mit Überlegung in eine Situation gebracht hatte, aus der es kein Entrinnen mehr gab. Wenn ich ihm jetzt vorschlüge, lieber hierzubleiben, wer weiß, ob er nicht darauf eingehen würde, fuhr es ihm durch den Kopf, obgleich der einmal angestachelte Ehrgeiz nicht zu unterschätzen war. Pirx sagte trotzdem nichts, denn obwohl der Aufstieg zu Anfang nicht besonders schwierig zu sein schien, konnte man nie wissen, was einem weiter oben blühte, namentlich dort, wo Überhänge einen Großteil der Wand verdeckten. Er hatte ja den Pfeiler nicht einmal durchs Fernglas betrachtet, weil er eine solche Eskapade gar nicht einkalkuliert hatte. Und dennoch hatte er Seil und Haken mitgeschleppt – wozu? Statt diese Widersprüche länger zu analysieren, erhob er sich und wartete auf Massena. Dann marschierten
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