Pilot Pirx
ein Geschoß explodiert zu sein, so laut dröhnte es in den Hörern. Er krümmte sich regelrecht, der Ton bereitete ihm fast Schmerzen. Er sah hinter einen großen Block und erstarrte: Zwischen zwei Felsbrocken geklemmt, auf dem Grunde einer natürlichen, flachen Mulde, ruhten unbeschädigt der Apparat und die Filmkamera. Auf der anderen Seite stand gegen einen Stein gelehnt Aniels Rucksack, die Riemen abgehakt, aber ordentlich gepackt. Er rief die beiden anderen. Sie liefen herbei und staunten ebenso wie er. Krull prüfte die Kassetten nach, die Messungen schienen alle vorgenommen worden zu sein. Diese Arbeit konnten sie sich also sparen. Nun mußte nur noch geklärt werden, welches Geschick Aniel ereilt hatte. Massena legte die Hände an den Mund und rief ihn ein paarmal, bis die Felsen ein fernes, gedehntes Echo zurückwarfen. Pirx fuhr zusammen – für ihn hörte sich das an, als riefen sie einen verschollenen Kameraden. Kurz darauf zog der Intellektroniker die flache Schachtel des Senders aus der Tasche, kauerte sich zu Boden und begann das Signal des Roboters zu funken, aber man sah ihm an, daß er dies mehr aus Pflichtgefühl als aus Überzeugung tat. Unterdessen suchte Pirx weiter nach Spuren. Der Roboter schien sich ziemlich lange an dieser Stelle aufgehalten zu haben, so viele flüchtige Piepser gab der Kopfhörer von sich, und dieses Übermaß an Anhaltspunkten brachte Pirx vollends durcheinander. Endlich hatte er in groben Umrissen die äußeren Grenzen des Bereichs ermittelt, den der Roboter bestimmt nicht verlassen hatte, und er hoffte, wenn er sie systematisch abschritt, auf eine neue Spur zu stoßen, die ihm richtungweisend für die weitere Suche sein konnte.
Nach einer vollen Umkreisung landete Pirx wieder vor dem Pfeiler. Zwischen dem Felsvorsprung, auf dem er stand, und der jäh abfallenden Wand gähnte eine Kluft von anderthalb Meter Breite. Ihr Grund war mit kleinen, scharfkantigen Steinsplittern übersät, die aus der Höhe herabgeprasselt waren. Auch diese Stelle untersuchte er gewissenhaft, aber der Kopfhörer schwieg. Er stand vor einem Rätsel – Aniel schien sich buchstäblich in Luft aufgelöst zu haben.
Hinter ihm beratschlagten die beiden anderen, er aber hob langsam den Kopf und betrachtete zum erstenmal ganz aus der Nähe den schroff aufragenden Pfeiler. Die Herausforderung, die er angesichts der steinernen Ruhe der Wand empfand, war ungeheuerlich. Eigentlich war es gar keine Herausforderung, sondern vielmehr so, als hielte ihm jemand offen die Hand hin, und schlagartig wurde es ihm zur Gewißheit, daß man diese Hand erfassen mußte, denn dies schien der Anfang des Weges zu sein, den es zu beschreiten galt. Instinktiv hielt er nach den ersten Griff- und Trittmöglichkeiten Ausschau – sie waren sicher. Mit einem langen, genau berechneten Schritt konnte man über die Schlucht hinwegsetzen und auf einer kleinen, zuverlässigen Stufe landen. Nach diesem Anlauf mußte man zweifellos schräg steigen, einen regelrecht geometrischen Riß entlang, der sich ein paar Meter weiter oben zu einem flachen kleinen Kamin vertiefte. Ohne recht zu wissen, warum, hob Pirx den Geigerzähler, beugte sich so weit vor, wie er nur konnte, und hielt das Gerät an jene Felsstufe auf der anderen Seite der Schlucht. Der Kopfhörer reagierte. Um ganz sicherzugehen, wiederholte Pirx die Operation noch einmal – mit Mühe und Not hielt er das Gleichgewicht, so weit mußte er sich in den leeren Raum hinauslehnen –, und abermals hörte er ein kurzes Piepsen. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Er kehrte zu den anderen zurück.
»Er ist da hinaufgestiegen«, sagte er seelenruhig und wies auf den Pfeiler. Krull verstand nicht sofort, und Massena fragte: »Da hinauf? Aber wieso denn? Wozu?«
»Keine Ahnung. Dort oben ist eine Spur«, erwiderte Pirx mit gespielter Gleichgültigkeit. Massena glaubte zunächst, Pirx sei ein Irrtum unterlaufen, doch er konnte sich sogleich selbst davon überzeugen, daß es sich so verhielt. Aniel hatte offensichtlich mit einem einzigen langen Schritt die Schlucht überquert und war den teilweise gesprungenen Steinwall entlang aufgestiegen – direkt auf die Wand zu. Das löste Bestürzung aus. Krull erklärte, die Messungen lägen ja vor, der Roboter hätte sich also, wohl infolge eines Defekts, »entprogrammiert«. Massena behauptete steif und fest, das sei unmöglich, Aniel habe doch sämtliche Apparaturen und den Rucksack dagelassen, so als sei er ganz bewußt zu einer
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