Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
 Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
stiegen und stiegen. Der Schnee und die Blöcke des Kars lagen jetzt unter ihnen, sie gingen einen alten Grat mit abgerundeten Zacken entlang, und Pirx kam es vor, als hörte er in der Grabesstille Massenas Kopfhörer piepsen, aber das war kaum möglich. Massena blieb wiederholt stehen, bewegte das Ende des Aluminiumstabes, hielt ihn so tief, daß er beinahe den Felsen berührte, und zeichnete damit Schleifen und Achten in der Luft wie ein Wünschelrutengänger. Wenn er die Spur gefunden hatte, setzte er sich wieder in Bewegung. Sie waren nun nicht mehr weit von der Stelle entfernt, wo Aniel die Messungen hatte vornehmen sollen. Pirx graste die Gegend aufmerksam nach Spuren des Verschollenen ab.
    Aber das Gestein blieb stumm. Der leichteste Abschnitt lag nun hinter ihnen – vor ihnen türmten sich Platten mit unterschiedlicher Neigung, die unter der Sohle des Pfeilers aufragten. Das Ganze sah aus wie ein mutwilliger, gigantischer Querschnitt der Felsschichten, und das stellenweise bloßgelegte Innere des steinernen Absturzes wies die ältesten Formationen des Bergkerns auf, hier und da zermalmt, weil sie von der fürchterlichen Last der ganzen Wand, die sich kilometerhoch in den Himmel reckte, zusammengepreßt wurden. Noch hundert, noch fünfzig Schritt – dann war Schluß.
    Massena lief im Kreise und bewegte das Ende des Geigerzählers vor sich her. So drehte er scheinbar ziel- und wahllos seine Runden, mit zusammengekniffenen Augen (die dunkle Brille hatte er auf die Stirn geschoben) und ausdruckslosem Gesicht. Plötzlich blieb er ein Dutzend Meter von ihnen entfernt stehen und sagte: »Er ist hiergewesen. Und zwar ziemlich lange.«
    »Woher weißt du das?« fragte Pirx.
    Der andere zuckte die Achseln, nahm die Olive aus dem Ohr, die zusammen mit dem Stab des Zählers am dünnen Leitungsdraht baumelte, und reichte sie Pirx. Nun hörte auch der ein Zwitschern und Piepsen, mitunter zu meckernden Tönen verzerrt. Auf dem Gestein waren keinerlei Abdrücke oder Spuren zu sehen. Nichts – nur dieser Ton, der einem mit giftigem Kreischen den Schädel füllte, und er bewies, daß sich Aniel an dieser Stelle tatsächlich lange aufgehalten haben mußte, denn fast jeder Meter Stein verriet es. Allmählich gelang es Pirx sogar, in diesem vermeintlichen Chaos einen gewissen Sinn zu entdecken. Aniel war offensichtlich auf demselben Weg hierhergelangt wie sie; er hatte den dreibeinigen Apparat aufgestellt und war, während er seine Messungen und Aufnahmen machte und mit der Kamera hantierte, in ihrer Nähe herumgelaufen. Er hatte dabei mehrmals den Standort gewechselt, um den günstigsten Beobachtungspunkt zu wählen. Ja, das fügte sich zu einem logischen Ganzen. Aber was war dann passiert?
    Pirx schritt die Stelle in immer größer werdenden, spiralenförmigen Kreisen ab, um eine zentrifugal ausgehende Spur zu finden, doch es gab keine Spuren, die zurückführten. Aniel schien haargenau in seinen eigenen Fußstapfen zurückgekehrt zu sein, was sehr unwahrscheinlich war. Er hatte ja keinen Geigerzähler bei sich und war demnach außerstande, auf den Zentimeter genau zu bestimmen, wie er hierhergekommen war. Krull sagte etwas zu Massena, aber Pirx beachtete die beiden nicht und zog weiter seine Kreise, bis es ihm plötzlich so vorkam, als ob es im Kopfhörer einmal kurz, aber vernehmlich gepiepst hätte. Nun bewegte er sich Millimeter für Millimeter rückwärts. Ja, hier war es! Er riß die Augen auf, die er vorher zusammengekniffen hatte, um sich ganz auf die Tonfolgen des Meßgeräts zu konzentrieren, und sah sich um. Die Spur befand sich unterhalb der Wand, als hätte der Roboter nicht in Richtung Lager kehrtgemacht, sondern ganz im Gegenteil Kurs auf den senkrecht aufragenden Pfeiler genommen.
    Das war merkwürdig. Was mochte er dort gewollt haben?
    Pirx suchte nach weiteren Spuren, aber die Steine hüllten sich in Schweigen, und er mußte alle Felstrümmer abhorchen, die sich am Sockel des Pfeilers auftürmten. Er konnte ja schwerlich erraten, wohin Aniel beim nächsten Schritt seinen Fuß gesetzt hatte. Schließlich fand er die Spur wieder, sie war etwa fünf Meter von der ersten entfernt. Sollte Aniel einen solchen Satz getan haben? Wozu? Abermals ging er rückwärts und entdeckte bald darauf die fehlende Spur, die er beim erstenmal überhört hatte – der Roboter war ganz einfach von Stein zu Stein gesprungen. Pirx stand gebeugt da, bewegte kreisend den Stab – und zuckte plötzlich zusammen. In seinem Kopf schien

Weitere Kostenlose Bücher