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 Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Eisenbetonbrücken überqueren, doch die Kanadier sprachen sich dagegen aus, weil das die Kosten verdoppeln würde. Nun wollten sie sich in den inneren Hang des Mendelejew hineinbeißen, das heißt zwei Felsrippen mit Richtungsexplosionen durchstoßen. Ich riet ihnen ab, denn das könnte das Gleichgewicht des kristallenen Basaltgrundes stören, aber sie wollten nicht hören. Was hätten wir tun sollen? Sie waren doch keine Kinder! Wir besaßen mehr selenologische Erfahrung, aber wir wollten ihnen unsere Ratschläge auch nicht aufzwingen. Animzew legte sein Votum separatum ein, und dabei blieb es. Sie fingen an, den Felsen wegzuschießen. Der erste Unfug – die Lokalisierung der Station – zog den zweiten nach sich, und die Folgen ließen leider nicht auf sich warten. Die Engländer bauten drei Lawinenschutzmauern, nahmen die Station in Betrieb, Raupentransporter wurden eingesetzt – und, bitte sehr, es gelang. Die Station arbeitete bereits drei Monate, als sich zu Füßen des Überhanges unter dem Sonnentor, dieser großen westlichen Scharte des Kammes, Risse zeigten ...«
    Pnin erhob sich, nahm mehrere große Fotos aus dem Schubfach und zeigte sie Pirx. »Da, an dieser Stelle. Es ist ... vielmehr war eine anderthalb Kilometer lange Platte, die an einigen Stellen überhing. Der Weg verlief ungefähr in einem Drittel der Höhe, wie diese rote Linie hier. Die Kanadier bliesen Alarm. Animzew, der immer noch dort war und auf sie einredete, erläuterte ihnen: ›Der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht beträgt dreihundert Grad. Die Risse werden sich vergrößern, dagegen hilft nichts. Eine anderthalb Kilometer lange Wand kann man nicht stützen! Der Weg muß sofort gesperrt werden, und da die Station bereits fertig ist, muß eine Seilbahn gebaut werden!‹ Man ließ einen Experten nach dem anderen aus England und aus Kanada kommen – das Ganze wurde zur Komödie: Die Experten, die das gleiche wie unser Animzew sagten, wurden sofort nach Hause geschickt. Es blieben nur diejenigen, die gegen die Spalte irgendeinen Rat wußten. Sie begannen zu zementieren. Tiefe Spritzen, Stützen – sie zementierten und zementierten endlos, denn was sie am Tage mit Zement abdichteten, barst in der folgenden Nacht wieder. Über die flache Rinne kamen bereits Lawinen, doch die wurden durch die Mauern aufgehalten. Sie bauten ein System von Keilen, um die größeren Lawinen zu zerteilen. Animzew versuchte, ihnen klarzumachen, daß es nicht nur um die Lawinen gehe – die ganze Platte könne niederstürzen!
    Ich brachte es nicht mehr über mich, Animzew anzusehen, wenn er zu uns kam. Er war nahe daran, aus der Haut zu fahren. Er sah die nahende Katastrophe und konnte nichts dagegen tun. Ich möchte es Ihnen ganz loyal sagen: Die Engländer haben ausgezeichnete Spezialisten, aber es war eben kein Spezialistenproblem, kein selenologisches Problem, es war eine Prestigefrage geworden. Sie hatten den Weg gebaut und konnten sich nicht zurückziehen. Animzew legte Protest ein – den wievielten, weiß ich nicht mehr – und ging dann. Später erfuhren wir, daß es zwischen den Engländern und den Kanadiern Streitigkeiten gab, Reibereien im Zusammenhang mit dieser Platte, dem Rand des sogenannten Adlerflügels. Die Kanadier wollten ihn sprengen, denn er ruinierte den ganzen Weg, aber den Engländern paßte das nicht. Animzew hatte berechnet, daß man dazu eine Ladung von sechs Megatonnen Wasserstoff benötigte, die Kommission der Vereinten Nationen verbot jedoch die Verwendung von radioaktiven Materialien als Sprengmittel. Und so zankten und stritten sie sich, bis die Platte abstürzte ... Die Engländer schrieben später, an allem seien die Kanadier schuld, denn sie hätten das erste Projekt, die Betonviadukte, abgelehnt ...«
    Pnin betrachtete eine Weile die Aufnahmen. Die eine zeigte in fast zweifacher Vergrößerung die Scharte im Kamm – schwarze Punkte kennzeichneten die Stelle des Einsturzes.
    »Die Folge ist, daß die Station periodisch unzugänglich ist, am Tage ist sie leicht zu erreichen, aber nachts überhaupt nicht. Wir sind nicht auf der Erde, wissen Sie ...«
    Pirx hatte bereits begriffen, was der Russe meinte: Auf dieser Seite der langen Mondnächte leuchtete nicht die große Lampe der Erde.
    »Und mit Infrarot läßt sich nichts machen?« fragte er.
    Pnin lächelte. »Infrarote Brillen? Aber was für Infrarot, Kollege, wenn der Felsen eine Stunde nach Sonnenuntergang hundertsechzig Grad an der Oberfläche hat ... Gewiß,

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