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 Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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die unter der Rakete vorbeihuschende gespenstische Landschaft. Die Rakete hing fast senkrecht wie ein Hubschrauber. Nur an dem geräuschvollen Zug und an dem schwachen Vibrieren des Rumpfes war zu spüren, daß die Geschwindigkeit zunahm.
    »Achtung, wir landen!« tönte es in den Hauben. Pirx wußte nicht, ob es die Stimme des Piloten war, die über Bordfunk zu ihnen drang, oder ob Pnin die Worte geschrien hatte. Die Sessel klappten um. Pirx atmete tief durch, er spürte, wie sich sein Gewicht verringerte, und er hatte das Gefühl, als werde er im nächsten Augenblick zur Decke schweben. Instinktiv klammerte er sich an die Sessellehne. Der Pilot bremste scharf, die Düsen spien Feuer, heulten auf, der Lärm wurde schier unerträglich. Die Schwerkraft wuchs, aber dann verringerte sie sich plötzlich, und ein trockener Stoß zeigte an, daß sie gelandet waren. Im nächsten Augenblick geschah etwas Unerwartetes. Die Rakete, die auf und nieder wippte und dabei Hockbewegungen vollführte wie ein Insekt, neigte sich zur Seite. Pirx vernahm ein Knacken, er spannte die Muskeln an. Eine Katastrophe! durchfuhr es ihn. Die beiden anderen lagen da, ohne sich zu rühren. Die Triebwerke waren verstummt. Pirx wußte, was los war: Das Projektil rutschte schwankend und holpernd auf dem Geröll weiter, es konnte umkippen und auf die Felsbrocken prallen.
    Allmählich wurde das Knirschen leiser, bis es ganz verhallte. Noch schlugen einige Steine klirrend gegen den Stahl, ein loser Felsblock versank unter dem Gewicht des Raketenfußes, aber dann kauerte die Kabine langsam nieder und blieb in einem Neigungswinkel von zehn Grad stehen.
    Der Pilot kroch etwas unsicher aus dem Schacht und entschuldigte sich. Das Bodenprofil habe sich verändert – offensichtlich sei über der nördlichen Rinne eine Lawine niedergegangen. Er war auf dem Geröll gelandet, dicht an der Wand, denn er wollte ihnen einen längeren Fußweg ersparen.
    Dr. Pnin kritisierte diese Methode, den Weg zu verkürzen. Ein Lawinengelände sei schließlich kein Kosmodrom, und wenn es nicht unbedingt erforderlich sei, dürfe man nichts riskieren. Nach diesem kurzen Disput gab der Pilot ihnen den Weg frei. Sie passierten die Schleuse und stiegen über die Leiter auf das Geröll hinunter. Der Pilot blieb in der Rakete, er wollte dort auf Pnin warten. Pirx und Langner folgten dem hochgewachsenen Wissenschaftler.
    Pirx hatte bisher immer geglaubt, den Mond zu kennen, aber nun mußte er seine Ansicht korrigieren. Die Umgebung der Ziolkowski-Station war eine Promenade im Vergleich zu dem Ort, an dem er sich jetzt befand. Die Rakete stand schräg auf den maximal gespreizten Füßen, die sich tief in die Steinlawine gebohrt hatten, sie war etwa dreihundert Meter neben dem riesigen Schatten niedergegangen, den der Hauptwall der Mendelejew-Station warf. Der am schwarzen Himmel entflammte Sonnenrachen berührte fast den Kamm, der an dieser Stelle zu schmelzen schien – aber das beruhte auf einer Täuschung. Keine Täuschung dagegen waren die senkrechten Wände, die aus der Dunkelheit aufragten. Zu der von tiefen Gräben durchfurchten Ebene, die den Boden des Kraters bildete, liefen von den Bergrinnen grellweiße Kegel herab – es waren Aufschüttungen. Die Stellen der frischen Einstürze konnte man an der Trübung der Felszeichnung erkennen. Diese Trübung wurde durch den Staub hervorgerufen, der sich erst nach Stunden setzte. Der Boden des Kraters, der aus geborstener Lava bestand, war ebenfalls von einer hellen Staubschicht bedeckt; der ganze Mond war mit mikroskopisch kleinen Meteorteilchen gepudert – toter Regen, der seit Millionen von Jahren auf ihn herabfiel. Der sogenannte Steg war nichts anderes als eine Anhäufung von Quadern und Felssplittern, ebenso wild wie die ganze Umgebung, und er verdankte seine Bezeichnung den einzementierten Aluminiumstangen, die oben so etwas wie Rubinkugeln trugen. Zu beiden Seiten dieses in den Geröllgang führenden Steges standen riesige Wände, zur Hälfte vom Licht erfaßt, zur Hälfte schwarz wie die Nacht der Milchstraße – Wände, die weder in den Alpen noch im Himalaja ihresgleichen hatten.
    Die geringe Mondschwerkraft erlaubte es dem Felsbaustoff, gespenstisch anmutende Formen anzunehmen, und diese Formen überdauerten Jahrhunderte. Das menschliche Auge wurde immer wieder irre, selbst wenn es den Anblick der Abgründe gewohnt war. Die anderen Sinne potenzierten noch den Eindruck des Unwirklichen, des Unmöglichen dieser Landschaft:

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