Pilot Pirx
obstinater, rasender, die Wasserleitung zitterte und stöhnte unter dem Hagel der Schläge – es war ein Schrei, der nicht enden wollte ...
»Terminus, hör auf!« Pirx warf sich nach vor, er versuchte, die öligen Handgelenke des Automaten zu packen, aber sie entglitten ihm. Terminus erstarrte in geduckter Haltung, hinter der Betonwand heulten die Pumpen. Pirx hatte den öltriefenden Körper nun unmittelbar vor sich, an den stockartigen Beinen floß das Öl nur so herunter. Er wich zurück.
»Terminus ...«, sagte er schwach. »Was hast ...« Er stockte. Der Roboter rieb sich die Stahlklauen rasselnd aneinander. Die angetrockneten Zementreste bröckelten ab, fielen aber nicht zu Boden, sondern tanzten in der Luft herum und flossen wie ein Rauchring auseinander.
»Was hast du getan?« fragte Pirx.
»Ich habe das Leck plombiert. Vier zehntel Röntgen in der Stunde. Darf ich weiterplombieren?«
»Du darfst ...«, sagte Pirx. Er betrachtete die großen Hände des Automaten, die sich allmählich entspannten. »Ja, du darfst.«
Er wartete. Terminus schien ihn nicht mehr zu sehen. Er schöpfte mit der linken Hand Zement, schleuderte ihn blitzschnell gegen die Wand, drückte ihn fest und glättete ihn: drei Schläge. Dann zuckte die Rechte vor und trommelte gegen das Rohr: P-r-a-t-t-1-i-e-g-t-i-m-s-e-c-h-s-t-e-n – m-o-m-s-s-e-n-a-n-t-w-o-r-t-e – a-n-t-w-o-r-t-e-m-o-m-s-s-e-n ...«
»Wo ist Pratt?« schrie Pirx voller Entsetzen.
Die Hände des Roboters blitzten im Licht. Er antwortete sofort: »Ich weiß nicht ...« Während er sprach, klopfte er mit solcher Geschwindigkeit, daß Pirx nur mit Mühe folgen konnte.
»P-r-a-t-t-a-n-t-w-o-r-t-e-t-n-i-c-h-t ...«
Dann geschah etwas Verblüffendes. Die rasende Serie der rechten Hand wurde von einer zweiten, schwächeren überlagert – die Finger der Linken pochten sie. Die einzelnen Zeichen vermischten sich, sekundenlang erbebte die Rohrleitung im Rhythmus eines zweifach gehämmerten, irren, allmählich leiser werdenden Wirbels: »K-l-t-h-a-n-d-k-a-n-n-i-m-e-h-r ...«
»Terminus ...«, kam es tonlos von Pirx’ Lippen, während er zu der eisernen Treppe zurückwich. Der Automat beachtete ihn nicht mehr, sein ölglänzender Leib erzitterte im Rhythmus der Arbeit. Pirx brauchte nicht hinzuhören, er las die Zeichen an den Bewegungen der Arme ab, die im Dämmerlicht aufblitzten.
»M-o-m-s-s-e-n-a-n-t-w-o-r-t-e ...«
II
Er lag auf dem Rücken, fand keinen Schlaf. Vor seinen Augen erstanden Bilder, sie zuckten auf wie Blitze und wurden durch neue verdrängt ... Pratt hatte sich also weiter ins Schiffsinnere gewagt ..., grübelte er. Der Sauerstoff war ihm ausgegangen ... Die beiden anderen hatten ihm nicht helfen können ... Und Momssen? Weshalb antwortete der nicht? Tot? ... Nein, Simon hörte ihn ... Er war also irgendwo in der Nähe, vielleicht hinter der Wand ... Hinter der Wand? Dann muß dort Luft gewesen sein ... Ja, sonst hätte er nicht gelebt ... Simon hörte etwas – aber was? Schritte? Weshalb riefen sie Momssens Namen überhaupt ...? Und weshalb antwortete er nicht ...?
Eine Agonie ... Eine Agonie in Punkten und Strichen ... Dieser Terminus ... Wie war das möglich? Man hatte ihn in der Kammer gefunden, unter einem Schutthaufen ... Wahrscheinlich an der Stelle, wo die Rohrleitung nach außen führte. Er war verschüttet, konnte aber das Klopfen hören ... Wie lange mögen sie gemorst haben? Der Sauerstoffvorrat war beträchtlich, sicherlich hatte er Monate gereicht ... Der Lebensmittelvorrat ebenfalls ... Terminus lag also unter den Trümmern ... Halt, Moment mal – die Schwerkraft fehlte doch! Was hatte ihn stillgelegt? Die Kälte wohl ... Er konnte sich nicht bewegen, denn bei der niedrigen Temperatur gerann ihm das Öl in den Gelenken ... Die hydraulische Flüssigkeit gefror, sprengte die Leitungen ... Übrig blieb nur das Elektronengehirn, es hatte alles vernommen, hatte die Klopfzeichen, die immer schwächer wurden, festgehalten, hatte sich alles gemerkt, als ob es erst gestern geschehen wäre. Und Terminus selbst ... Ahnt er nichts? Wie das? Weiß er wirklich nicht, daß die Morsezeichen den Rhythmus seiner Arbeit bestimmen? Lügt er? Nein – Automaten lügen nicht ...
Die Müdigkeit überschwemmte Pirx wie schwarzes Wasser. Vielleicht sollte ich gar nicht hinhören, dachte er. Es war ihm unerträglich, immer wieder diesen Todeskampf mitzuerleben und jede furchtbare Einzelheit, jede Phase, jedes Signal zu analysieren, das Flehen um
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