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Pilze für Madeleine

Pilze für Madeleine

Titel: Pilze für Madeleine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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vergiftet wurde und daß ich schuld daran war.
    »Entschuldige!« flüsterte sie unglücklich. »Ich habe nicht nachgedacht.«
    Ich machte die Heckklappe mit einem Knall zu.
    »Ich habe es nicht böse gemeint«, jammerte sie.
    Ich stellte mich mit dem Rücken zum Auto, verschränkte die Arme und sagte ruhig:
    »Du weiß doch alles. Kannst du mir dann vielleicht auch sagen, wie sie mich nennen?«
    »Wie? Wer?«
    »Die Leute hier in der Gegend. Wie nennen sie mich? Den Pilzmörder?«
    Sie hatte Tränen in den Augen und schüttelte heftig den Kopf. Dann wurde sie plötzlich ärgerlich und sagte trotzig:
    »Ich habe es ernst gemeint. Wenn du einmal Pilze sammeln gehst, würde ich gerne mitkommen. Ich vertraue dir.«
    Ich schnaubte.
    Auf dem Nachhauseweg blieb ich an Utboms Haus stehen und sah nach. Da gab es tatsächlich einen neuen Hund. Er gab keinen Ton von sich. Er roch nur an den Exkrementen des alten Hundes und schaute verwirrt um sich.
    Ist noch neu im Job, dachte ich. Wie sich das anfühlt, weiß man ja. Man weiß nicht richtig, was von einem erwartet wird. Scheußliches Gefühl.
    Tatsache ist, daß ich bei meinen Jobs nie sehr lange durchhielt. Ich habe es in einem Holzlager versucht, in einer Autowerkstatt, auf einer Hähnchenfarm und an ein paar anderen Orten, und entweder war ich gefeuert worden oder hatte selbst gekündigt. Ich kannte dieses Gefühl also sehr gut, es war immer gleich unangenehm, und deshalb versuchte ich es zu vermeiden, indem ich vorerst keine weiteren Jobs suchte.

Frostschneckling (Hygrophorus hypothejus)
     
    Einer der letzten Pilze im Jahresverlauf.
    Geschmack: mild, süßlich.
    Geruch: angenehm.
    Hat einen wohltuenden Effekt auf die Magenschleimhäute.
    Paßt sehr gut in Suppen.
     
    Bengt Cortin, Pilze in Farbe

20
    Anfang Dezember bekam ich von meinem Vater eine Postkarte mit Madonna und Kind. Er schrieb:
     
    Lieber Sohn!
    Die Trüffelsaison hat begonnen. Ich habe einen ausgezeichneten Hund gefunden. Ich esse morgens, mittags und abends Trüffel. Esse Trüffel, bis sie mir zu den Ohren herauskommen. Erbreche Trüffel.
    Glaub nicht, daß ich die schwedischen Pilze oder unsere Weihnachtstraditionen vergessen habe. Am Weihnachtsabend kannst du mich erwarten.
    Dein Vater.
     
    Vater und ich hatten unsere ganz eigenen Weihnachtsbräuche. Wenn es an Weihnachten einigermaßen schneefrei war – was oft der Fall war, es schneite meist erst im Januar so richtig –, gingen wir in den Wald und suchten Frostschnecklinge. Sie wuchsen auf einer Anhöhe unter Kiefern, unwirklich glänzend und unter ihrer gefrorenen Haut konserviert. Im Haus tauten sie auf und wurden ziemlich schleimig. Wir brieten sie in Butter scharf an. Sie schmecken süßlich, wie Kekse, und Vater nahm sie stets mit einem Weihnachtsschnaps zu sich.
    Danach legte er sich aufs Sofa, schloß die Augen und sagte: »Weck mich, wenn die Frühjahrsmorcheln kommen.«
     
    Er kam am Weihnachtsabend, wie versprochen.
    Es schien ihm gutzugehen. Ein bißchen runder war er geworden, er hatte muntere Augen und rosige Wangen. Er überreichte mir sein Weihnachtsgeschenk: eine Flasche Pernod. Ich nahm an, er erwartete von mir, daß ich sie aufmachte und ihm etwas anbot. Ich tat es also. Vater schmatzte zufrieden, aber mir schmeckte es nicht besonders. Ich nippte nur an meinem Glas und machte mir dann eine Dose Bier auf.
    Dann griff Vater nach seiner Militärmütze mit den Ohrenklappen. Er wollte sofort in das Kiefernwäldchen und Frostschnecklinge suchen.
    Es war klar und kalt, alles war mit Rauhreif überzogen, aber es lag kein Schnee.
    »Perfekt«, sagte Vater. »Perfekt.«
    Dann erzählte er, wie es ihm in Frankreich ergangen war. Er beschrieb Madeleines Beerdigung als »einfache, aber stilvolle Veranstaltung«. Ich glaube, er verwendete die gleichen Worte für seine Hochzeit.
    »In Pierre Norell – dem schwedischstämmigen Anwalt, ich habe ihn doch schon einmal erwähnt? –, in ihm habe ich wirklich einen Freund gefunden«, sagte Vater. »Wir trinken hin und wieder ein Glas Pernod zusammen. Er wird mir helfen, den Besitz zu verkaufen. Ich möchte mir ein kleineres Haus im Ort zulegen. Und den Trüffelwald behalten.«
    Wir gingen durch ein Birkenwäldchen, der Frost ließ die Bäume weiß und zart aussehen wie geklöppelte Spitze. Der Boden unter unseren Füßen war hart gefroren.
    Als wir uns dem Hügel näherten, wurde Vater aufgeregt und gespannt wie ein Kind vor einer Zirkusvorstellung.
    »Sind sie da?« fragte er und schaute mich

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