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Pilze für Madeleine

Pilze für Madeleine

Titel: Pilze für Madeleine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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aufgeschlitzt und erniedrigt.
    Da verzog Vater den Mund zu einer angeekelten Grimasse.
    Das Töten machte ihn weder wütend noch traurig, und es empörte ihn auch nicht. Er empfand nur Abscheu.
    Hatte er deshalb Madeleine nicht selbst vergiftet? Weil er das Zittern, das Schwitzen, die Krämpfe, all das Widerwärtige des Todes nicht miterleben wollte?
    Oder war es nur aus Feigheit?
    Der kleine, dunkle Keim war lange in mir gewachsen, aber nach der Entdeckung in der »Kryptogamflora« und dem Besuch bei Utbom war ich überzeugt. Vater hatte mich als Werkzeug benutzt, um Madeleine zu töten.
    Er hatte die Zeilen über den giftigen Höhlenpilz gelesen und ihn an Utboms Hund getestet. Er kannte meine Gefühle für Madeleine, und er hatte mich reingelegt. Er sah zu, daß er aus dem Weg war und ein perfektes Alibi hatte. Und dann ließ er mich, seinen eigenen Sohn, einen Mord begehen, für den er selbst zu feige war.
    Er hatte mich zum Mörder gemacht, als ich glaubte, er würde mich zum Liebhaber machen.
    Ich ging durch den Wald. Eigentlich war es nicht angeraten, um diese Zeit dort spazierenzugehen.
    Mir kam der ganze Wald wie Utboms Hof vor. Es herrschte die Angst. Riesige Körper verendeten im Moos, das Blut blubberte aus geweiteten Nasenlöchern, und Hunde prügelten sich um dampfende Eingeweide.
    Kurz gesagt: der passende Rahmen für meinen Seelenzustand.

19
    Im Supermarkt traf ich wieder Agneta Bengtsson. Sie lauerte mir hinter den Bierkästen auf. Plötzlich stand sie vor mir und sagte erstaunt:
    »Kaufst du immer hier ein?«
    »Ich bin ein Mensch. Ich muß was essen. Und wo sonst sollte ich einkaufen«, sagte ich.
    »Wie geht es deinem Vater?«
    »Ich weiß nicht genau.«
    Sie nickte ernsthaft. Vermutlich wußte sie inzwischen alles über Vater, Madeleine und den Todesfall.
    Wir schwiegen eine Weile, und ich dachte, sie sei fertig, und ging weiter zur Kühltheke und holte ein Paket Fleischklößchen.
    »Utbom, dein Nachbar, hat sich einen neuen Hund gekauft«, sagte sie von der anderen Seite der Kühltheke.
    »Ach ja? Woher weißt du das?«
    »Er war letzten Mittwoch bei meiner Tante, sie züchtet Hunde. Er hat den Hund gekauft, der vom letzten Wurf übrig war. Niemand wollte ihn haben, weil er so nervös und bissig ist, er bekam ihn billig.«
    »Der paßt prima zu ihm«, sagte ich.
    Agneta beugte sich über die Kühltheke und flüsterte:
    »Aber ich finde, sie hätte ihm keinen Hund verkaufen dürfen. Ich sagte zu meiner Tante: Wie kannst du ihm nur einen Hund verkaufen, dem Axtmörder. «
    Es wurde ungemütlich kalt über der Kühltheke, ich ging also wieder in die Ecke mit den Bierkästen. Sie folgte mir.
    »Warum heißt er denn der Axtmörder?« fragte ich. »Er hat doch wohl nie jemanden umgebracht?«
    »Aber sicher. Weißt du das nicht? Nein, wir Jungen wissen nichts darüber. Ich habe es selbst auch erst vor ein paar Jahren erfahren. Mein Großvater hat es mir erzählt. Einar Utboms Vater war ein Haustyrann, der seine Frau und seine Kinder mißhandelte. Eines Tages nahm Einar die Axt und spaltete ihm den Kopf. Dann ging er direkt zur Polizei und zeigte sich an. Er kam nicht ins Gefängnis, weil er verrückt war. Er saß viele Jahre in der Anstalt, aber dann kam er nach Hause. Jetzt weißt du, warum er der Axtmörder heißt. Du darfst es niemandem erzählen, ich darf es eigentlich nicht verraten, hat Großvater gesagt.«
    »Ich werde nichts sagen.«
    »Man sollte ihn auch nicht Axtmörder nennen. Es ist jetzt über fünfzig Jahre her. Man sollte ihn einfach nur in Ruhe lassen. Aber ich finde trotzdem, daß meine Tante ihm keinen Hund hätte verkaufen sollen.«
    »Wenn er diesen Hund nicht hätte kaufen können, dann würde er einen anderen Hund kaufen. Irgendeiner muß Utboms Hund sein.«
    Sie nickte.
    »Das stimmt. Er hat schon immer einen Hund gehabt.«
    Ich ging zur Kasse und legte meine Sachen aufs Band. Sie stellte sich hinter mich.
    »Es gibt also keine Pilzkurse mehr?« fragte sie.
    »Nein«, sagte ich. »Ich glaube nicht.«
    »Und die Saison ist ja auch bald vorbei. Ich habe dieses Jahr keinen einzigen Pilz gesammelt.«
    Ich ging zum Auto, und noch bevor ich die Einkaufstüten verstaut hatte, war sie bei mir. Ich verstand nicht, wie sie so schnell durch die Kasse gekommen war.
    »Wenn du einmal in den Wald gehst, würde ich gerne mitkommen. Ich traue mich nicht allein. Man nimmt so leicht etwas …«
    Sie hielt inne und bekam ein knallrotes Gesicht. Da wußte ich, daß sie alles wußte, wie Madeleine

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