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Pilze für Madeleine

Pilze für Madeleine

Titel: Pilze für Madeleine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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nicht nach mir gesehnt?«
    »Ob ich mich nach dir gesehnt habe? Ja, ich habe mich nach dir gesehnt. Aber was hätte ich tun sollen? Ich habe dir Geburtstagsgeschenke geschickt, damit du mich nicht vergißt.«
    »Ich habe dein Foto im Briefmarkenalbum gefunden«, murmelte ich.
    »Wirklich? Ich mußte es verstecken, ich wußte, daß er alle Geschenke genau anschaute. Ich wollte, daß du nicht vergißt, wie ich aussehe. Daß du eines Tages von alleine zu mir kommen würdest. Und jetzt bist du da.«
    Sie streichelte mir mit einer schnellen Handbewegung über die Wange.
    »Aber«, sagte ich. »Bist du wirklich sicher, daß der Seemann mein Vater ist und nicht Vater, ich meine Holger? Ich habe doch Holgers abstehende Ohren geerbt. Schau mal Mutter, ich habe doch abstehende Ohren!«
    »Wie eine Flügelschraube«, stellte sie zufrieden fest und kniff mich ins Ohrläppchen. »Aber solche Ohren gibt es auch in meiner Familie. Nein, nicht bei mir«, sagte sie, als ich ihre kleinen, anliegenden Ohren betrachtete. »Aber du hast deinen Onkel Börje noch nicht gesehen!«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich kannte keinen meiner Verwandten.
    »Den werden wir jetzt besuchen«, entschied Mutter.
    Und so war Onkel Börje der erste Verwandte, den ich kennenlernte.

23
    Wir fuhren mit dem Volvo. Sie konnte nicht glauben, daß ich einen Führerschein hatte.
    »Daß du so groß geworden bist«, rief sie erstaunt aus.
    (Eigentlich war es ja Vaters Auto, aber er konnte sich ein neues kaufen, fand ich.)
    Onkel Börjes Ohren waren groß und sehr abstehend. Wir tranken Kaffee, und ich mochte ihn gleich richtig gerne.
    »So so. Da kann man mal sehen. Nein, tatsächlich. Das muß ich schon sagen. Gerds Junge. Na so was auch.« Mehr sagte er nicht.
    In seiner Stimme lag Zustimmung, und das tat mir gut.
    Und Mutter fiel ein:
    »Ja, ja, Börje, das ist mein Junge. Sonst noch was.«
    Sie wuschelte mir stolz durch die Haare und zog mich sanft am Ohr.
    Als wir wieder zu Mutters Haus zurückkamen, öffnete sie die Tür zum unteren Stockwerk. Da wohnte meine Cousine Britt-Marie mit ihrem Mann Tommy. Das Haus war das Elternhaus meiner Mutter. Das obere Stockwerk, in dem meine Mutter jetzt wohnte, war die Sommerwohnung der Familie gewesen, das untere Stockwerk wurde an Badegäste vermietet.
    »Das ist dein Cousin Gunnar«, sagte Mutter zu Britt-Marie, die in der Küche bügelte.
    Sie hatte das Radio voll aufgedreht, und es dauerte eine Weile, bis sie merkte, daß wir da waren. Dann lächelte sie uns freundlich an.
    »Wie hübsch ihr es habt«, sagte ich höflich und schaute mich in der aufgeräumten Küche um.
    »Es ist ein bißchen altmodisch. Wir bauen auf der anderen Seite der Insel. Ein Steinhaus. Es dauert, weil Tommy sehr viel selbst macht, und er hat ja noch die Fischerei. Aber nächsten Sommer wollen wir einziehen, so ist es geplant. Ja, du kannst auch Tommy guten Tag sagen. Er ist da drinnen«, sagte sie und machte eine Kopfbewegung Richtung Wohnstube.
    Tommy saß in einem Sessel vor dem Fernseher.
    »So, du bist das also. Aha. Nett dich zu sehen.«
    Seine Hand war rauh und hart wie ein Stück Rinde.
    »Habt ihr nicht ein Klappbett?« fragte Mutter.
    »Doch, ich glaube schon. Es steht da draußen im Wandschrank«, sagte Tommy und schaute mit hilflosem Blick auf eine Tür, als fiele es ihm schwer aufzustehen.
    Zu Hause verhielt sich Tommy wie ein Pascha. Da saß er wie eingekeilt in seinem Sessel, Zigaretten, Feuerzeug, Aschenbecher und die Zeitung mit dem Fernsehprogramm in Reichweite.
    Bei der Arbeit auf seinem Fischerboot oder an seinem neuen Haus aber zeigte er sich sehr beweglich, wie ich später feststellen konnte.
    Ich nahm das Klappbett und trug es in Mutters Wohnung hinauf.
    »Stell es hier hin«, sagte Mutter und ging vor mir her in ein kleines Zimmer mit schrägen Wänden. Das Zimmer war bis auf ein paar Flickenteppiche und einen Stuhl leer.
    »Es ist einfach, aber es muß genügen«, stellte sie fest. »Ja, jetzt hast du deine Cousine Britt-Marie und ihren Mann kennengelernt. Und deinen Onkel Börje.«
    Ich schaute aus dem Fenster. Über die Dächer hinweg konnte ich das Meer sehen, es war grau mit einem Silberstreifen am Horizont.
    »Das ist das einzige Fenster mit Meerblick«, sagte Mutter.
    »Hübsch«, sagte ich.
    »Nützlich. Mein Vater ging immer hier herauf, um zu sehen, wie das Wetter werden würde. Heute sind die Wetterberichte ja zuverlässig, aber früher schaute man aufs Meer und in den Himmel. Obwohl die Häuser so nahe

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