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Pilze für Madeleine

Pilze für Madeleine

Titel: Pilze für Madeleine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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Streichholzschachtel war Watte.
    In der Watte: eine Muschel. Eine weiße geriffelte Muschel, die man Herzmuschel nennt, wie ich jetzt weiß. Ich wußte sofort, woher sie stammte. Es war die Muschel, die ich gefunden hatte, als Mutter und ich in der Badeanstalt waren.
    Ich untersuchte das braune Packpapier, das Goldpapier und die Streichholzschachtel. Nirgends ein Gruß oder ein Absender. Das hatte ich auch nicht erwartet.
    Ich legte die Muschel vorsichtig in ihr Wattebett zurück, machte die Schachtel zu und steckte sie in die Tasche. Ich ging in die Kate, packte ein paar Sachen in eine Tasche, ging dann zum Auto und fuhr in rasender Fahrt davon. Aus dem Wald hinaus, den Hügel hinunter, durch das Frauenschenkeltor.
    Zuerst wußte ich nicht, wohin meine Reise führte. Ich fuhr nach Westen.
    Wie sollte ich hinfinden? Ich zögerte nicht ein einziges Mal, an jeder Kreuzung wählte ich die richtige Straße. Das Auto schien den Weg zu kennen, wie ein altes Pferd.
    Erst als ich an der Schranke zur Fähre bremste, wußte ich, wohin meine Reise führte.
    Zur Insel. Zu dem Ort, an dem meine Mutter geboren wurde. Wo ihre Familie seit Generationen lebte und wo sie nach der Scheidung Zuflucht gefunden hatte.
    Die Schranke ging auf, ich startete den Wagen. Langsam rollte ich auf die Fähre.
    Ich war nervös. Ich war noch nie mit einer Fähre gefahren.

22
    »Und bitte keinen so großen Abstand«, rief eine Stimme aus dem Lautsprecher von der Brücke der Fähre herunter. »Kurzen Abstand. Der grüne Volvo auf der rechten Spur kann noch viel näher ranfahren. Auf der anderen Seite steht ein Krankenwagen, der will nicht so lange warten. Wenn wir alle zusammenarbeiten, kommen auch alle mit. Ein bißchen schneller, bitte. Und der grüne Volvo kann noch ein Stück vorfahren.«
    Im grünen Volvo saß ich.
    »So, ja. Jetzt wird es«, rief die Stimme, als mein Kotflügel das Auto vor mir berührte. »Jetzt können wir losfahren. Ich dachte schon, wir kämen nie mehr weg.«
    Die Fähre brummte los. Nach kurzer Zeit waren wir auf der anderen Seite.
    Ich war so nervös, daß ich den Zündschlüssel drehte, obwohl der Motor schon lief, ein schnarrendes Geräusch war zu hören.
    »Und der grüne Volvo, braucht der eine extra Einladung?« rief der Mann auf der Brücke. »Das ist eine Fähre, kein Parkplatz.«
    Ich rollte von der Fähre und auf die Insel. Jetzt wußten alle, daß ein grüner Volvo angekommen war.
    Auf den schmalen Wegen zwischen den Häusern konnte man nicht fahren, ich stellte den Wagen hinter ein paar Bootshäusern ab und ging zu Fuß weiter. Der Himmel war seidig bewölkt. In der Luft schwebte weißes Licht.
    Ich fragte mich durch. Das war erstaunlich einfach. Ich nannte den Namen meiner Mutter, und schon zeigte mir jemand die Richtung. Als wäre die Bevölkerung der Insel eine Art lebender Kompaß, mit dem man jederzeit die Richtung bestimmen konnte.
    »Wo ist Gerd Einarssons Haus?« fragte ich eine Frau, die ihre Treppe putzte. Mutter hatte nach der Scheidung wieder ihren Mädchennamen angenommen.
    Sofort zeigte die Hand mit der Scheuerbürste schräg über die Gasse auf ein Haus gegenüber. Um das Haus war ein kleiner Garten, zwischen Felsenplatten wuchs Dill.
    Ich klopfte an.
    »Du mußt nach oben gehen. Sie wohnt im oberen Stock«, rief die Frau mit der Scheuerbürste.
    Ich öffnete die Tür und kam in einen kleinen Vorraum, in dem es nach Fisch roch. An der Wand hingen Regenkleider und Flanellhemden, auf denen gräulich angetrocknete Fischschuppen schimmerten. Eine Treppe führte nach oben. Ich ging hinauf und klopfte wieder an eine Tür.
    »Herein«, rief es von drinnen.
    Die Stimme klang bestimmt und erfreut, wohlbekannt und fremd zugleich. Ich wartete einen Moment, vielleicht würde sie kommen und öffnen, aber sie rief noch einmal »Herein!«, lauter und fast wie ein Befehl, und da trat ich ein.
    Mutter saß am Küchentisch vor dem Fenster und aß eine gebratene Makrele. Es war eine enge kleine Küche mit Flickenteppichen auf dem Boden.
    Mutter nickte langsam und kaute weiter. Die Augen strahlten fast unwirklich blau unter den blassen Wimpern.
    »So, hast du endlich hergefunden«, sagte sie.
    Sie stand auf, bewegte sich leicht und schnell wie ein junges Mädchen, ich sah jetzt, daß sie eine blau-weiß gestreifte Schürze trug. Sie holte eine Schüssel und eine Kanne aus dem Schrank.
    Ich setzte mich.
    »Elsa hat angerufen und erzählt, daß ein fremdes Auto auf der Fähre war«, sagte sie und richtete an der Spüle

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