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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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feuchtwarmem Atem ins Ohr. »Ich bin das Rotkäppchen und du machst mir den Wolf – mein starkes Wölfchen. Du kannst mich mit Haut und Haaren auffressen.« Es folgte ein kleiner, zärtlicher Biss ins Ohrläppchen.
    Tannenberg landete zuerst mit der drallen Psychologin auf der Rückbank eines Taxis, wo sie wie ein Schülerpärchen hemmungslos herumknutschten und dann in ihrem Hotelbett.
     
    Als er am nächsten Morgen mit einem unglaublichen Brummschädel aufwachte, wusste er zunächst überhaupt nicht, wo er sich befand. Erst als er sich langsam in Richtung Wand drehte, um den Ursprung des markanten Schnarchgeräuschs neben sich zu erkunden, gelang es ihm ansatzweise, die delikate Situation zu erkennen, in der er sich befand. Sofort versuchte sein schmerzendes Gehirn, den gestrigen Abend bzw. die Ereignisse der anschließenden Nacht zu rekonstruieren. Aber sein Erinnerungsvermögen beschränkte sich auf einzelne Bruchstücke, die ihn allerdings nicht entscheidend weiterbrachten.
    Als er die leere Champagnerflasche neben dem Bett und die im Zimmer weit verstreuten Kleidungsstücke sah, schwante ihm Fürchterliches. Am liebsten hätte er sich wie ein Dieb aus dem Zimmer geschlichen. Aber das war nicht möglich, schließlich lag hier im Lotterbett nicht ein unbekanntes Callgirl, dem man schnell ein paar Geldscheine auf die Kommode legen und sich dann unerkannt verdrücken konnte, sondern eine Kollegin!
    Du hirnverbrannter Idiot!, beschimpfte er sich selbst, während er seine Kleider zusammensuchte. Ich kann mich jetzt nicht einfach aus dem Staub machen und dann später so tun, als ob ich gar nicht über Nacht hier gewesen wäre. Warum eigentlich nicht? Vielleicht war sie ja so sturzbetrunken, dass sie gar nicht mehr mitbekommen hat, wen sie mit in ihr Zimmer geschleppt hat.
    »Oh je, Tannenberg, was haben wir denn da bloß angestellt?«, fragte plötzlich das ehemalige Schnarchen in seinem Rücken.
    »Ich … ich muss dringend auf’s Klo«, stotterte Tannenberg verlegen und machte sich in dem kleinen Appartement auf die Suche nach der Toilette.
    Gähnend schlurfte er in den Flur. Mit fahrigen Händen tastete er nach dem Lichtschalter, fand ihn aber nicht. Erst beim zweiten Anlauf klappte es schließlich. Der plötzlich aufleuchtende grelle Lichtschein blendete ihn allerdings so stark, dass er die gerade leicht geöffneten, verklebten Augenlider wieder blitzartig verschließen musste. Die Kopfschmerzen verstärkten sich. Er führte beide Hände an die Schläfen, massierte sie leicht. Blinzelnd versuchte er die Augen zu öffnen. Sein verkaterter Blick fiel auf etwas, das direkt an der Abschlusstür lag.
    Als Tannenberg näher kam, erkannte er trotz der hämmernden Kopfschmerzen und seines immer noch alkoholvernebelten Bewusstseins, um was es sich handelte: Es war wieder eine Jugendherbergskarte, diesmal mit einem abgebildeten Fliegenpilz. Er griff sofort nach ihr, drehte sie um und erblickte auf der Rückseite ein neues Gedicht:
Der Junimond die Lichtung küsst,
Der Eichenwald die Blätter hisst,
Die Heidelbeere blau erstrahlt,
Der Tag mit Überlänge prahlt.

Da sprießt auch gern der Fliegenpilz.

In prallem Rot steht er im Wald,
Mit weißen Flocken auf dem Hut.
Das Gift, das schlafend in ihm ruht,
Wirkt nach dem Essen schon sehr bald.

Oh Tannenberg, du armer Wicht,
Siehst nicht die Fäden hinterm Licht.
Oh Tannenberg, du armer Tropf,
Es lacht dich aus der Schweinekopf!

Bevor der Mond ist kugelgleich,
Entdeckst du schon die nächste Leich!
Der Frauen Tod ist Liebesfron –
Neigt sich zu End die Pilzsaison?
    Tannenberg ging leise fluchend zurück ins Zimmer und überreichte die Karte der Kriminalpsychologin, die sich inzwischen im Bett aufgerichtet und mit dem Rücken an die Wand angelehnt hatte.
    »Die ist ja an das Hotel hier adressiert«, stellte die Profilerin erstaunt fest und las laut vor: »Kriminalhauptkommissar Wolfram Tannenberg, z.Z. Hotel am Stadtpark. Was der alles weiß. Der muss uns die ganze Zeit über beobachtet haben!«
    »Wundert dich das? Du kümmerst dich bitte hier um die Befragung des Personals«, sagte Tannenberg übellaunig, während er sich fertig ankleidete. »Also: Hat irgendjemand einen Fremden heute Nacht im Hotel bemerkt usw.«
    »Ja, Herr Hauptkommissar, da kümmere ich mich selbstverständlich drum«, antwortete die Profilerin. »Was meint er damit: Bevor der Mond ist kugelgleich, entdeckst du schon die nächste Leich! – Ist das die Ankündigung eines neuen Mordes, oder hat er den

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