Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall
Hand seiner Kollegin und zog die Dienstwaffe aus dem Halfter.
Die Profilerin setzte sich nach links ab und kramte ihre Pistole unter dem Blazer hervor. Tannenberg war anscheinend selbst nicht sonderlich überzeugt von dem, was er eben gesagt hatte, denn er gab sich keine große Mühe bei seinen Anpirschaktivitäten, so dass er wohl für jeden auch nur halbwegs geübten Schützen ein leichtes Ziel gewesen wäre.
Der Haustürschlüssel lag wie angekündigt tatsächlich unter der Altpapiertonne neben einer ausgetretenen Sandsteintreppe. Während der Leiter der SOKO ›Pilze‹ die blaue Plastiktonne nach hinten zum Haus wegkippte, bückte sich seine Kollegin und nahm den aus einem BKS-Schlüssel, zwei silbernen Ringen und einem steinernen Anhänger bestehenden Bund von einer zusammengefalteten Zeitung, die jemand wie einen Präsentierteller unter die Papiermülltonne gelegt hatte.
»Komm, Wolf, steck die Waffe weg. Wenn der uns umbringen wollte, hätte er es schon längst getan. Ich glaub vielmehr, dass er noch ein wenig mit uns spielen will, wie eine Katze, die eine Maus bereits sicher gefangen hat, sie aber nicht gleich tötet, sondern ein wenig wegrennen lässt, wieder einfängt und so fort.«
»Eva, geh noch nicht rein, ich muss dich erst noch was fragen. Drinnen hat der bestimmt wieder Mikrofone angebracht«, sagte Tannenberg leise und schob seine Kollegin wieder ein paar Meter vom Haus weg. »Glaubst du, dass wir überhaupt eine Chance gegen diesen gefährlichen Psychopathen haben?
»Ich denke schon.«
»Und wie willst du das anstellen?«
»Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, wenn wir ihn persönlich treffen und ich die Gelegenheit dazu habe, mit ihm zu reden«, antwortete Eva Glück-Mankowski nebulös und schob schnell flüsternd nach: »Aber erst mal müssen wir weiter bei seinem Spiel mitmachen, sonst haben wir überhaupt keine Chance.«
Nach diesem kurzen Gespräch betraten die beiden das eineinhalbgeschossige Gebäude. Gleich nachdem Tannenberg die quietschende Haustür hinter sich ins Schloss gezogen hatte, nahm er diesen leicht modrigen, kaum zu beschreibenden Geruch war, den alte Menschen in ihrer direkten Umgebung verbreiten und den er nur allzu gut von der elterlichen Wohnung her kannte.
Von einem schmalen Flur wurden die Besucher direkt in einen Wohnraum geführt, in den eine offene Küchenzeile integriert war. Irgendwie sah es hier wirklich so aus wie bei seinen Eltern, nur noch etwas altmodischer und mit noch etwas mehr Nippeskram vollgestopft.
Während Tannenberg sich intensiv im Wohnzimmer umschaute, durchstöberte seine Kollegin die anderen Räume des Hauses.
»Schnell, komm mal hier runter!«, rief plötzlich die Kriminalpsychologin vom unteren Teil der Kellertreppe aus.
Tannenberg machte sich sofort auf den Weg zu ihr. Als er den Grund für ihren Ausruf sah, verschlug es ihm regelrecht die Sprache. Er musste sich zuerst einmal hinsetzen. Da auf der rechten Seite des Zimmers ein Bett stand, benutzte er dieses als Sitzgelegenheit.
Mitten in dem kaum mehr als mannshohen, quadratischen Raum stand ein an der Decke und auf dem Fußboden verankertes mächtiges Holzkreuz, dessen Querbalken etwa eineinhalb Meter vom Boden entfernt war.
»Da hat dieses perverse Schwein die Frauen drangebunden«, sagte Eva Glück-Mankowski mit belegter Stimme und zeigte auf die Sisalstricke, die an den Enden des Balkens herunterbaumelten.
»Und hier auf der Seite sind drei Schraubhaken, die ihm als Führung für den Grillspieß gedient haben könnten«, sagte Tannenberg vom Bett aus, erhob sich aber gleich anschließend und trat ebenfalls nahe an das Holzkreuz heran.
»Wo?«, fragte die Profilerin entsetzt und begab sich auf die Seite des senkrechten Kreuzbalkens, auf der sich bereits ihr Kollege befand.
Von dort aus schauten beide in Richtung der Treppe, von der aus sie in den Keller gelangt waren – und blickten direkt in das verhärmte Antlitz einer grauhaarigen älteren Frau, unter deren großformatigem Ölportrait drei dickfüßige weiße Kerzen brannten.
Heißes Wachs tropfte auf den rotbraunen Steinboden.
»Das Bild mussten sich die armen Frauen bestimmt anschauen, während er ihnen von hinten den Spieß ins Herz getrieben hat! Wahnsinn!«
»Wahnsinn!«, stimmte Tannenberg leise murmelnd zu und ging ein paar Schritte durch den Raum. »Da sind ja auch die Eicheln und die Fingerhutblüten«, sagte der Kriminalbeamte, der auf Pflanzschalen unterhalb des Kellerfensters aufmerksam geworden
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