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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Haus, zu dem wir jetzt hinfahren«, schlussfolgerte die Profilerin.
    »Ja, das ist durchaus möglich«, antwortete Tannenberg und begann in seinem Fotoalbum zu blättern. »In dieser Zeit brauch ich ja gar nicht zu schauen. Das ist ja Quatsch! Da kann er gar nicht drauf sein, weil er noch gar nicht bei uns in der Klasse war. Ich fang wahrscheinlich besser von hinten an«, sagte er mehr zu sich selbst als zu seiner Begleiterin, die ihm anscheinend auch nicht zugehört hatte.
    »Bin ich eigentlich auf dem richtigen Weg?«
    »Klar, fahr einfach immer geradeaus. Wenn wir abbiegen müssen, sag ich dir’s vorher.«
    Tannenberg klappte das Album zu, drehte es herum auf die Rückseite und betrachtete die alten Bilder aus seiner Jugendzeit, diesmal aber entgegen der normalen biologischen Verlaufsform.
    »Das waren vielleicht noch Zeiten. Mann oh Mann, haben wir Feten durchgezogen! Aber nirgends ist der Lars zu finden. Das gibt’s doch nicht, der ist nur auf unserem offiziellen Abifoto drauf, sonst nirgends!«
    »Vielleicht habt ihr euch nicht genügend um ihn gekümmert, habt bei seiner Integration versagt.«
    »Eva, ich glaub, du spinnst!«, platzte es aus Tannenberg heraus. »Willst du damit etwa andeuten, dass ich oder meine Klassenkameraden dafür verantwortlich sind, dass aus diesem introvertierten Nordlicht ein bestialischer Frauenmörder geworden ist?«
    »Nein, Herr Hauptkommissar, das wollte ich Ihnen nun wirklich nicht unterstellen«, entgegnete Eva Glück-Mankowski pikiert.
    Tannenberg konnte seine Augen nicht mehr von diesem schüchternen jungen Mann befreien, der in der letzten Reihe so unschuldig neben Kai Bohnhorst stand.
    »Weißt du, was du jetzt machst?«
    »Wie: Was ich jetzt mache?«, fragte der Ermittler verblüfft.
    »Du lässt allen deinen Assoziationen, die sich in deinem Bewusstsein zu diesem Lars Mattissen bilden, einfach freien Lauf. Das heißt, du sagst jetzt alles ins Unreine, was dir zu ihm gerade in den Kopf kommt. Los, schau dir das Foto weiter an und leg los! Ich muss alles wissen, was du über den Kerl weißt«, forderte die Kriminalpsychologin eindringlich.
    »Okay!« Tannenberg grub seine Augen noch tiefer in das bartlose jugendliche Milchgesicht seines ehemaligen Klassenkameraden. »Da ist zuerst die Szene, wo er vorne neben unserem Klassenleiter steht und uns vorgestellt wird. Er hat, glaube ich, keinen Ton herausgebracht, sondern nur still gewartet, bis der Lehrer mit seiner Ansprache fertig war, und hat sich dann irgendwo in eine leere Zweierbank gesetzt.«
    »Gut, weiter! Mach mal die Augen zu!«, befahl die Psychologin.
    Tannenberg tat, wie ihm befohlen. »Jetzt kommen Bilder von einem Zeltlager – genau, das hatten wir als Abschluss eines biologischen Projekts in der 12. Klasse durchgeführt. Da haben wir den Lars total abgefüllt. Der war vielleicht stockbesoffen. Und am nächsten Morgen war ihm total schlecht. Ach Gott, war dem die Sache so peinlich. Aber wir haben uns köstlich über ihn amüsiert! Ach du Scheiße.«
    »Was ist denn los, Wolf?«, fragte die Profilerin erschrocken.
    »Jetzt hab ich auch endlich die Verknüpfung zu diesem blöden Mama-Lied gefunden: Bei eben dieser Fete, wo er so besoffen war, hat er erzählt, dass er mit seiner Mama … – genau! Er hatte nicht ›Mutter‹, sondern mehrmals ›Mama‹ gesagt.«
    »Dass er was mit seiner Mama?«
    »Weiß nicht mehr, irgendwas hat er halt über sie erzählt. Jedenfalls haben wir, habe besonders ich, muss ich leider ehrlicherweise eingestehen, ihn danach ständig damit aufgezogen.«
    »Wie?«
    »Ganz einfach: Vor dem Unterricht, wenn er gezwungenermaßen mit uns in einem Raum sein musste oder draußen im Pausenhof, hab ich dann von irgendwoher ›Mama, du sollst nicht um deinen Jungen weinen‹ gegrölt. Der arme Kerl ist immer vor Wut rot angelaufen, hat sich aber nie getraut, sich dagegen zur Wehr zu setzen.«
    »Na, allmählich wird mir einiges klar«, sagte die Psychologin mit vorwurfsvollem Unterton.
    »Ja, mir jetzt auch. Aber das kann doch nicht der Auslöser für eine Mordserie sein! Eine Sache, die mehr als 25 Jahre zurückliegt. Quasi eine Jugendsünde von mir, die mir sogar im Nachhinein sehr leid tut! Aber das kann doch wirklich nicht als Ursache für diesen wahnsinnigen Amoklauf in Betracht kommen, oder?«, fragte Tannenberg verunsichert.
    »Das alleine garantiert nicht; da bin ich mir ziemlich sicher«, beruhigte ihn seine Kollegin. »Da sind bestimmt mehrere Dinge zusammengekommen, die dann zu

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