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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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aufsägen, damit er anschließend die großen Metallklammern einführen konnte, die den Thorax so weit spreizten, dass er imstande war, relativ mühelos an die inneren Organe zu gelangen.
    Wie bei einem Grillhähnchen, das man mit der Geflügelschere zerteilt, sagte der Leiter des K 1 zu sich selbst; allerdings mit dem nicht unwesentlichen Unterschied, dass beim gerupften Federvieh die Innereien normalerweise vorher bereits entfernt worden sind.
    Dr. Schönthaler schaltete die Kreissäge ab und legte sie auf den fahrbaren, stählernen Beistelltisch direkt neben dem Oberkörper der toten Frau. Mit emporgestreckten, blutverschmierten Händen wedelte er Tannenberg entgegen. »Hallo, lieber Wolfram, komm doch besser zu mir in den Obduktionsraum rein. Ich zeig dir auch was Interessantes.«
    »Du weißt doch ganz genau, wie sehr ich diesen Anblick hasse.«
    »Genau deshalb!«
    »Nun zieh die ekligen Handschuhe aus und komm jetzt endlich in dein Büro. Ansonsten fang ich ohne dich an«, rief Tannenberg.
    Folgsam streifte sich der Pathologe die Gummihandschuhe ab und warf sie in den Mülleimer. Dann wusch er sich die Hände und begab sich zu Tannenberg.
    »Ach so, jetzt verstehe ich den Grund deines unangekündigten Besuchs. Du brauchst mal wieder was. Na gut, da kann ich dir vielleicht behilflich sein. Es ist ja auch schon nach 18 Uhr«, stellte der Gerichtsmediziner lächelnd fest und begrüßte seinen alten Freund herzlich mit einem kräftigen Schlag auf die Schulter.
    »Hast du schon irgendeinen Befund, der uns weiterbringt?«, wollte Tannenberg ungeduldig wissen.
    »Eigentlich ist alles ganz genau so wie bei der Leiche vom Pfaffenbrunnen: Sehr guter Allgemeinzustand, durchtrainierter Körper, kein sexueller Missbrauch, der gleiche Kehlenschnitt, die gleichen abgeschliffenen Fersen, die Hautabschürfungen an den bei Fesselungen typischen Stellen, dieselben merkwürdigen Druckstellen an einigen Rippen, der gleiche Stichkanal mit der kleinen Austrittswunde unter der Brust usw.«
    »Todeszeitpunkt?«
    »Gestern zwischen 18 und 20 Uhr.«
    »Hast du darüber hinaus nichts Auffälliges gefunden?«, fragte Tannenberg enttäuscht.
    »Ich bin ja noch nicht ganz fertig; du störst mich ja andauernd bei meiner Arbeit. Aber natürlich hab ich wieder etwas ganz Besonderes für dich. Hab ich mir wie immer extra bis zum Schluss aufgehoben.«
    »Los, los, spann mich nicht so lange auf die Folter!«
    »Also: Es gibt einen radikalen Unterschied zu der ersten Toten, einen wirklich radikalen …« ließ der Gerichtsmediziner Tannenberg wie eine Forelle an der Angelschnur zappeln. »Die beiden Frauen verkörpern die der Natur innewohnende absolute Gegensätzlichkeit, so wie bei Tag und Nacht, Licht und Schatten, Tod und Leben …«
    »Jetzt reicht’s aber! Hör auf zu philosophieren und sag jetzt endlich, was Sache ist!«, unterbrach Tannenberg genervt.
    »Also gut. Kurz und knapp: Die Frau war schwanger, Anfang 3. Monat – ein Junge. Da hinten liegt er. Willst du ihn sehen?«
    Tannenberg blickte seinen Freund fassungslos an. »Du bist einfach pervers!« Sofort, als er den betroffenen Ausdruck in Dr. Schönthalers Gesicht bemerkte, schob er nach: »Entschuldige, Rainer, war nicht so gemeint. Aber auf diesen Anblick kann ich wirklich verzichten. Schließlich hab ich heute schon genügend schreckliche Sachen gesehen.«
    »Was denn zum Beispiel?«, überging der Pathologe die kleine atmosphärische Störung. »Wie läuft’s denn eigentlich bei euch? Kommt ihr weiter? Habt ihr schon was Neues?«
    »Nichts Neues, aber eine Neue!«
    »Was? Versteh nicht!«
    »Ganz einfach: Unser lieber Herr Oberstaatsanwalt, dieser alte Jammerlappen, hat sich Hilfe beim LKA geholt, und zwar in Form einer Profilerin – Diplom-Psychologin mit dem Namen Dr. Glück-Mankowski.«
    »Das ist ja genau das, was du jetzt brauchst – eine Psychologin!«, grölte der Gerichtsmediziner aus vollem Hals. »Und dann auch noch eine von diesem arroganten LKA-Verein. Da freust du dich aber, oder?«
    »Na, meine Freude hält sich in engen Grenzen.«
    »Sieht sie wenigstens gut aus?«
    Tiefe Sprachlosigkeit lähmte Tannenberg für einen kurzen Augenblick. Daran hatte er noch keinen einzigen Gedanken verschwendet. Ja, sicher, sie war ein weibliches Wesen. Sah sie gut aus?
    »Keine Ahnung, Rainer«, antwortete er deshalb, während er die Schultern mehrmals hochzog und dabei seine beiden Hände nach oben öffnete.
    »Mann, oh Mann, muss die Frau dich geschockt haben, wenn du noch

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