Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall
Fritz war hier in der Region eine Institution, eine Legende, ein nationales Heiligtum. Der Fritz hat dieser Stadt und unserem ganzen Land nach dem Krieg wieder Mut und Selbstbewusstsein gegeben.«
»Nun gut, meine Damen, meine Herren, wir wollen jetzt nicht streiten. Wir haben wichtigere Dinge, um die wir uns kümmern müssen«, versuchte der Oberstaatsanwalt zu mäßigen. »Aufgrund der dramatischen Ereignisse in unserem Mordfall, sprich die zweite Tote, habe ich mich zu zwei Dingen entschlossen. Erstens: Ich habe mit dem Polizeipräsidenten die Bildung einer Sonderkommission vereinbart. Die SOKO ›Pilze‹ nimmt sofort ihre Arbeit auf. Die anderen Abteilungen wurden bereits angewiesen, Beamte abzustellen. Hauptkommissar Tannenberg übernimmt die Leitung der neu gegründeten SOKO. Sie berichten direkt an mich, ist das klar?«
»Klar ist das klar!«, entgegnete Tannenberg, der von dieser Maßnahme nicht überrascht schien.
»Zweitens: Ich habe beim LKA eine Profilerin angefordert. Die Dame steht hier vor Ihnen. Frau Dr. Glück-Mankowski ist Polizeipsychologin und wird der SOKO eine wertvolle Hilfe sein. Tannenberg, warum grinsen Sie denn so blöd?«
»Entschuldigung, Herr Oberstaatsanwalt, das sind epileptische Zuckungen. Gegen die kann ich nichts machen. Die bekomme ich immer, wenn ein Psychologe im Raum ist.«
»Mensch, Tannenberg, reißen Sie sich doch endlich mal am Riemen! Sie werden hier nicht für Ihre albernen Scherze bezahlt, sondern dafür, dass Sie einem extrem gefährlichen Serienmörder das Handwerk legen. Und dazu müssen wir alle hier im Raum zusammen, und nicht gegeneinander arbeiten. Ist das klar, Tannenberg?«
»Klar ist das klar, Herr Oberstaatsanwalt.«
»Wo war ich stehen geblieben? Also: Frau Dr. Glück-Mankowski ist eine ausgewiesene Expertin auf dem Gebiet der Serienmord-Aufklärung. Sie hat ihre Dissertation über Täter-Profiling geschrieben, hat umfangreiche Fachveröffentlichungen zu diesem Thema vorzuweisen und mehrere Forschungsaufenthalte in den USA, dem – wie Sie sicherlich wissen – Mutterland des Profiling, absolviert. Unsere neue Mitarbeiterin ist ein Geschenk des Himmels und wird hier endlich mal frischen Wind in diese muffigen Amtsstuben hineinwehen lassen.«
»Na ja, Herr Oberstaatsanwalt, mit Geschenken, vor allem denen des Himmels, muss man durchaus vorsichtig sein. Denken Sie nur mal an den Flop mit dem Trojanischen Pferd!«
»Tannenberg, hören Sie doch auf mit Ihren blöden Scherzen! Eins steht fest: Hier treibt ein perverser Psychopath sein Unwesen und Sie haben nicht einmal den Hauch einer Spur! Dieser Kerl ist eine tickende Zeitbombe, eine extreme Gefahr für alle weiblichen Wesen in Kaiserslautern und Umgebung. Der ist schließlich auch eine Gefahr für Ihre Frau und Ihre Tochter! Quatsch, Sie haben ja gar keine Familie. Ist auch egal! Flockerzie, Sie fertigen jetzt Kopien von allen bisher vorliegenden Ermittlungsergebnissen an und reichen sie umgehend an Frau Doktor weiter. Viel kann’s ja nicht sein.«
»Mach ich sofort.«
»Gut. Frau Dr. Glück-Mankowski bezieht ein Büro im Präsidium, zwei Zimmer neben meinem«, gab der Oberstaatsanwalt freudig bekannt und wandte sich dann direkt an seine neue Mitarbeiterin. »So, liebe Frau Kollegin, wir warten noch, bis die Unterlagen kopiert sind, und dann lade ich Sie zu einem schönen Arbeitsessen bei meinem Lieblingsitaliener ein, wenn Sie einverstanden sind. Dabei können wir dann die Einzelheiten besprechen. Sie sind doch bestimmt hungrig, oder?«
»Das ist eine sehr gute Idee, Dr. Hollerbach. Hunger hab ich nach der langen, anstrengenden Fahrt hierher schon. Allerdings kann ich Ihnen bei einem Schlemmermenü leider keine Gesellschaft leisten.«
»Wieso denn das?«, fragte der Oberstaatsanwalt verwundert.
»Weil ich mich mit einem Salatteller begnügen werde. Schließlich bin ich mitten in einer Diät.«
»In welcher?«, platzte die Sekretärin vorlaut dazwischen.
»Bitte?«
»Entschuldigung, ist mir nur so rausgerutscht. Ich suche immer noch nach der idealen Diät.«
»Da kann ich Ihnen vielleicht ein paar wertvolle Tipps geben«, entgegnete die Profilerin freundlich und verließ anschließend gemeinsam mit Dr. Hollerbach das Kommissariat.
Bevor sich Tannenberg gedanklich wieder mit den Frauenmorden beschäftigen konnte, musste er sich zunächst einmal von diesem Schockerlebnis erholen. Unentwegt den Kopf schüttelnd wandelte er ruhelos in seinem Dienstzimmer umher. Manchmal blieb er für kurze
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