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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Kampfjungfer, ersetzt wurde. Mehrfach hatte er sich schon vorgenommen, diesen Drogeriemarkt zukünftig zu meiden. Dann aber obsiegte doch jedes Mal wieder seine Sturheit und sein unbändiger Wille, nicht klein beizugeben, sondern sich mit offenem Visier in diesen privaten Rachefeldzug zu begeben, denn um nichts anderes handelte es sich dabei.
    Vor gut einem Jahr war er nämlich zugegen gewesen, als dieser unsensible, menschenfeindliche Drachen eine junge, von ihren drei kleinen Kindern enorm gestresste Mutter mit unverschämten Vorwürfen hinsichtlich vermeintlichen Erziehungsversagens so lange drangsaliert hatte, bis diese vor den Augen der jammernden Kleinen mit einem Weinkrampf zusammengebrochen war – und alles nur deshalb, weil die Kinder während der langen Wartezeit an der Kasse allen möglichen Kleinkram aus den in Greifhöhe angebrachten Hängekörben herausgefischt und ihre überforderte Mutter damit bedrängt hatten.
    Tannenberg hatte an diesem Morgen sofort lautstark Partei für die völlig grundlos beschimpfte arme Frau ergriffen und sie und ihre Kinder sogar nach Hause begleitet. Danach ging er zurück zum Filialleiter und beschwerte sich stellvertretend für die junge Mutter, drohte mit der Presse und forderte eine umgehende Entschuldigung der Kassiererin. Da sich diese strikt weigerte, besuchte der Filialleiter selbst die malträtierte Frau, entschuldigte sich bei ihr und übergab ihr einen Warengutschein, für den, so versicherte ihm der Filialleiter glaubhaft, die Kassiererin aufkommen musste.
    Seit diesem Vorfall zog die alte Hexe an der Kasse Tannenberg ebenso magisch an, wie sie ihn mit ihrem unverschämten, barschen Wesen abstieß. Manchmal dachte er auch, dass die wahre Ursache für den Hass auf diese Frau aus seiner eigenen Vergangenheit herrührte, erinnerte sie ihn doch stark an eine Bedienung im Spinnrädl , die Herta hieß und genauso herrisch im Ton und in ihrem Auftreten gewesen war.
    Damals nach der Tanzstunde war er regelmäßig mit seinen Freunden und einigen Schülerinnen aus dem Burggymnasium in der alten Fachwerkskneipe eingekehrt. Er erinnerte sich noch sehr gut daran, dass man sich bei Herta kaum getraute, ein Bier zu bestellen, und noch viel weniger, sie zum Bezahlen an den Tisch zu rufen. Also wartete man stets andächtig, bis sie Zeit hatte und selbst auf die Idee kam, abzukassieren.
    Tannenberg spielte genüsslich sein Spiel mit der Kassiererin und zog siegessicher die Trumpfkarte, einen 200-Euro-Schein.
    »Warum ärgern Sie mich immer mit einem großen Schein? Da geht doch mein ganzes Wechselgeld drauf!«, sagte die Frau unwirsch.
    »Ich will Sie doch nicht ärgern, liebe Frau. Ich hab nur leider kein anderes Geld dabei.«
    »Von wegen liebe Frau! Ich bin nicht Ihre liebe Frau, Ihre schon gar nicht!«, spuckte der alte Drachen Feuer.
    »Ich hab gehört, dass es bei Ihnen hier jetzt auch die Möglichkeit zur Ratenzahlung gibt? Stimmt das?«, provozierte Tannenberg weiter.
    »Ratenzahlung? Sind Sie verrückt? Das fehlte gerade noch!«
    »Seien Sie doch nicht so unfreundlich! Muss ich mich wieder beim Filialleiter über Sie beschweren?«
    Der Kassiererin stieg die Zornesröte ins Gesicht. Während sie das Wechselgeld aus der Kasse mit fahrigen Händen herausriss und auf die Plexiglasschale neben dem Förderband donnerte, packte Tannenberg seelenruhig die erworbenen Artikel in seinen Rucksack. Wie immer ließ er eine Münze auf dem Tablett zurück und forderte die vor Wut schäumende Frau mit auffällig übertriebener Freundlichkeit auf, sich damit einen schönen Tag zu machen.
    Mit diesem triumphalen Sieg in der Tasche verließ Tannenberg befriedigt den Drogeriemarkt. Sorgsam wendete er die Euromünzen des Wechselgeldes in seiner rechten Hand, stets auf der Suche nach ausländischen Geldstücken, die noch in Mariekes Sammlung fehlten.
    Er blickte kurz nach rechts in die Einbahnstraße, sah kein Auto und setzte zum Überqueren der Straße an.
    Plötzlich wurde er von links von einem Fahrradfahrer angefahren.
    Tannenberg stürzte auf den heißen, trockenen Asphalt. Die Münzen flogen in hohem Bogen auf die Straße.
    »Vollidiot! Können Sie denn nicht zuerst schauen, bevor Sie auf die Straße gehen?«, schimpfte der Mountainbiker sofort los.
    Noch während Tannenberg mit dem Gesicht zur Straße auf dem Boden lag, schrie er aufgebracht zurück: »Selbst Vollidiot! Das ist ja wohl ’ne Einbahnstraße!«
    »Sie Blinder! Wo leben Sie denn? Noch nie was davon gehört, dass schon

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