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Pinguine frieren nicht

Pinguine frieren nicht

Titel: Pinguine frieren nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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starkes Mädchen mit vertrautem Gesicht und entschlossenem Blick. Sie ließ ihn in seinem Traum nicht schlafen. Er umarmte sie und versuchte, sie an sich zu ziehen, bis er aufwachte. Sofort lockerte er seine Umarmung und rollte sich an den Bettrand.
    Er stellte die Füße auf den Boden und saß eine Weile so in der Stille und Dunkelheit. Dann zog er den Morgenmantel an und ging in die Küche.
    Dort setzte er sich wieder, legte die Arme auf den Tisch und sah durchs Fenster, hinter dem immer noch der Winter andauerte.
    ›Soll er noch ein wenig dauern‹, dachte er. ›Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr…‹
    Dann sprangen seine Gedanken mühelos über die ukrainische Grenze nach Split, von dem er im Internet ein paar Postkartenansichten gefunden hatte. Er stellte sich den Hafen mit den vielen Jachten vor. Und dazwischen die eine, große, mit dem einladenden Namen ›Vesna‹ – das hieß doch ›Frühling‹. Und im Frühling würden sie ja auch in See stechen!
    Es vergingen noch zwei Wochen, und beim nächsten, diesmal energischen Tauwetter dachte Viktor wieder an den [498] näherrückenden Frühling. An diesem Tag beauftragte der Chef ihn, die Flugtickets für die ganze Mannschaft zu buchen, plus ein Ticket für den Sonderkorrespondenten des ›Ukraine-Kuriers‹. Der Name des Sonderkorrespondenten, Issajew, sagte Viktor nichts. Aber er reservierte die Tickets und ließ sich an der Kasse den Schein für die Zahlungsüberweisung geben. Dort, bei der Frau an der Ticketkasse, erkundigte sich Viktor auch vorsichtig, wie man kleinere Tiere mitnehmen konnte. »In einem Spezialbehälter«, antwortete die freundliche Frau. »Man kann so Kunststoffreisetaschen mit Luftlöchern kaufen!«
    Jetzt hieß es nur noch warten, und auch das nicht allzu lange.
    Ljoscha hatte mit Nina gesprochen und war ganz beflügelt von dem Gespräch.
    »Sie hilft mir«, sagte er zu Viktor. »Also bleibe ich erst mal hier… Hier ist es doch gemütlicher.«
    Viktor nickte zu diesen Worten und lachte, allerdings kein besonders freundliches Lachen. Das merkte auch Ljoscha, sagte aber nichts dazu.
    »Nein, schon gut«, versuchte Viktor sich schnell zu entschuldigen. »Ich bitte dich bloß, vergiß Sonja nicht…«
    Kaum hatte er es gesagt, kam er ins Grübeln: Was konnte Ljoscha denn schon für Sonja tun? Mit ihr spazierengehen nicht. Essen kochen auch nicht. Also mit ihr plaudern und irgendwelche Spiele spielen?
    »Weißt du«, er sah Ljoscha direkt an, »du könntest ihr Schach und Dame beibringen.«
    »Schach kann sie schon«, sagte Ljoscha. »Und gar nicht schlecht!«
    [499] Viktor seufzte. Heute gerieten ihm seine Gedanken durcheinander, er hatte selbst das Gefühl, daß er wirr daherredete. Und das störte ihn.
    Am nächsten Morgen, als Nina duschte und Ljoscha, schon im Rollstuhl, im Wohnzimmer darauf wartete, bis er an der Reihe war, winkte Viktor Sonja in die Küche. Hinter Sonja kam auch Mischa-Pinguin und sah von der Schwelle aus fragend auf sein Herrchen. Dann ging er zu seinem Hocker, auf dem das leere Schälchen stand, und schaute Viktor wieder an, nur jetzt war sein Blick weniger fragend, mehr fordernd. Er wollte essen.
    Viktor befreite sich von Mischas Blick mit einem Stück gefrorenem Seehecht und beugte sich zu Sonja.
    »Weißt du noch, ich habe versprochen, daß wir beide ins Café gehen und wie Erwachsene reden?« fragte er.
    »Weiß ich«, antwortete Sonja.
    »Dann sag mir, in welches Café du willst, und in einer halben Stunde gehen wir los.«
    Sonja überlegte. Viktor betrachtete ihr Gesicht und stellte sich vor, wie sie gleich erklären würde: ›Ich will zu McDonald’s‹.
    »Onkel Witja«, Sonja sah ihn an, »vielleicht nicht ins Café, lieber in ein Restaurant, wo es viele Eissorten gibt!«
    Viktor dachte nach.
    »Weißt du, Restaurants haben morgens noch nicht geöffnet.«
    »Wir können bis heute abend warten«, schlug Sonja vor.
    »Tut mir leid.« Viktor schüttelte den Kopf. »Heute abend habe ich vielleicht zu tun.«
    [500] »Na gut.« Sonja seufzte. »Dann zu McDonald’s!«
    Eine Stunde später trafen sie am Platz der Unabhängigkeit ein. Für sich nahm Viktor einen Fisch-Mac mit Kaffee, für Sonja ein Happy Meal. In der Papiertüte steckte diesmal ein Spielzeugcowboy, eine Figur aus irgendeinem amerikanischen Zeichentrickfilm.
    »Weißt du«, begann Viktor eindringlich. »Ich habe etwas Ernsthaftes mit dir zu besprechen…«
    Sonjas Gesichtchen wurde sofort ernst, sie kniff sogar die Augen zusammen, um gut

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