Pinguine frieren nicht
mehr Satte als Reiche!«
»Oh! Und das heißt, die Satten sind für uns wichtiger als die Reichen. Erstens deshalb, weil es wenig Reiche gibt, und zweitens geben die sich ihre Stimmen selber…«
Viktor fand zunehmend Gefallen an dieser Unterhaltung. Nachdem er sofort den Scharfsinn seines Hausherrn bemerkt hatte, freute er sich auch für sich selbst – es schien, daß Sergej Pawlowitsch auch seinen, Viktors, Gedanken aufmerksam zuhörte und sie notierte, als würde er äußerst nützliche Dinge erfahren.
»Das bedeutet, den Reichen brauchen wir nichts zu versprechen… Das kommt dann später, wenn Sie Abgeordneter sind. Dann muß man den Reichen immer irgend etwas versprechen, ohne das geht es nicht!«
»Na, das sehen wir noch, aber ich kann dir folgen«, nickte Sergej Pawlowitsch. »Also, der Reihe nach, im einzelnen. Zuerst unsere Armen.« Er unterstrich das Wort auf seinem Blatt Papier. »Wir müssen eine Liste mit Versprechungen für sie erstellen. Denn auch ein Narr weiß ja, [84] daß ihm niemand einfach Geld auf der Straße schenken wird!«
»Doch«, widersprach Viktor. »Das wird man, vor den Wahlen. Mindestens zehn Griwni pro Kopf, für die Stimme. Das wurde schon gemacht.«
»Einen lächerlichen Zehner?« fragte der Hausherr verwundert. »Aber das ist ja nur Bestechung, ich will aber Wahlversprechen! Also ein Programm!«
Viktor seufzte.»Dann braucht es ökonomische Versprechungen, neue Arbeitsplätze, neue Firmen und Fabriken, günstige Kredite für Jungunternehmer…«
»Na, siehst du, du kennst dich aus! Hier…« Er schob Viktor das Papier und den Stift zu. »Bis morgen abend schreibst du einen Text für das Programm, und abends besprechen wir es, vielleicht geben wir es auch diesen Moskauern zu lesen. Weißt du übrigens, womit sie sich im einzelnen befassen, diese PR -Berater? Verlangen Unmengen Geld, aber was sie eigentlich machen, weiß der Teufel…«
»Also da gibt es verschiedene. Sie raten vielleicht, die Frisur zu ändern oder eine andere Krawatte zu kaufen… Reden entwerfen sie auch.«
»Ich verstehe.« Der Hausherr nickte. »Gut, gehen wir Billard spielen. Man soll den Kopf auch nicht überanstrengen! Man muß leben wie Tolstoj: erst ackern, und dann ans Schreiben!«
Sie stiegen in den Keller hinunter. Der schweigsame Leibwächter, in einem leichten schwarzen Anzug, mit weißem Hemd ohne Krawatte, legte das Dreieck auf den grünen Stoff und füllte es mit den harten Kugeln. Er nahm den Rahmen weg und entfernte sich höflich.
[85] »Danke, Pascha!« nickte Sergej Pawlowitsch. Er nahm ein Queue vom Ständer und sah Viktor aufmerksam an. »Los, stoß du an, sonst kriegst du wieder nichts zu tun!«
Viktor zerschlug mit seinem Stoß das Kugeldreieck, aber keine einzige Kugel verschwand in einer Tasche. Danach mußte er wirklich eine Weile tatenlos zusehen. Sie spielten noch drei Partien, und in der letzten versenkte Viktor zu seiner Überraschung drei Kugeln.
»Siehst du«, freute sich der Hausherr für ihn. »Das ist doch schon was! Lerne weiter! Das nennt sich Austausch von Erfahrungen: Ich habe große Erfahrung mit Billard und du mit der Zeitung. Also tauschen wir uns aus!«
12
Bei Tagesanbruch brachte sich der Herbst in Erinnerung. Vor dem Fenster waberte Nebel. Dort draußen gab es nichts mehr, keine Bäume, keine Mauer, keinen Stadtlärm. Dort war nur der Herbst und legte sich schwer auf alles, was auf der Erde kreuchte und fleuchte. Dem Herbst war das ganze Treiben egal. Es war einfach Zeit, das Leben vor dem Winterschlaf abzubremsen. Die Tiere folgen diesen Signalen, für sie ist es ein Naturgesetz. Für die Menschen bedeuten sie die Beschwernisse der Jahreszeit, für ihre Kinder ist es eine fröhliche Abwechslung.
Viktor sah lange aus seinem Dachfenster in den Nebel hinaus. Das Nichts da draußen gefiel ihm. Er stellte sich vor, daß gerade jetzt Sonja genauso am Fenster seiner Wohnung stand und neugierig in diesen Nebel hinaussah.
[86] Beim Gedanken an Sonja kroch plötzlich ein Vorwurf in ihm hoch. Er erinnerte sich daran, daß er ihr schon vor einigen Tagen versprochen hatte, sie anzurufen.
Er ging hinunter in die Küche und genehmigte sich eine offene Dose Oliven und Würstchen aus dem Kühlschrank des Hausherrn. Es war ein großartiges Frühstück. Im Haus war es still, keinerlei Anzeichen von Leben. Erst als Viktor in den Flur hinaustrat, bemerkte er im selben Moment den Leibwächter Pascha. Er ging zu ihm hin, und sie wechselten ein paar nichtssagende Worte.
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