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Pinguine frieren nicht

Pinguine frieren nicht

Titel: Pinguine frieren nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Liebe!« scherzte Ljoscha.
    In diesem Moment kamen zwei Burschen in Rollstühlen ins Café, auch sie in Tarnanzügen. Ljoscha warf einen Blick zu ihnen hinüber, und sein Gesichtsausdruck wurde sofort konzentriert.
    »Hallo!« grüßte der erste Rollstuhlfahrer im Heranrollen. Er sah Viktor aufmerksam an, ehe er den Blick wieder Ljoscha zuwandte. »Hast du Potapytsch angerufen?«
    »Hab ich, er kommt in einer Stunde vorbei.«
    »Dann mach uns einen Kaffee!«
    Ljoscha sah Viktor nachdenklich an.
    »Komm an den Tresen«, sagte er leise zu ihm, dann wendete er den Rollstuhl und fuhr zur Bar.
    Viktor rollte ihm hinterher und erhielt von Ljoscha einen Zettel mit dessen Telefonnummer.
    »Ruf an, wenn was ist. Oder komm auf einen Kaffee vorbei!« sagte Ljoscha und gab ihm zu verstehen, daß es für Viktor Zeit war zu gehen.
    Viktor klappte den Stuhl zusammen, trug ihn zurück in die Abstellkammer, nickte zum Abschied und verließ das Café ›Afghanistan‹ unter den mißtrauischen Blicken der [81] beiden Rollstuhlfahrer, von denen einer noch ein Bein hatte und der andere gar keins.
    11
    Abends bat Sergej Pawlowitsch Viktor an den Tisch im Salon. Er schickte einen seiner Leibwächter los, um eine Flasche Burgunder und Käse zu holen. So stilvoll begann die erste Unterredung mit dem Parlamentskandidaten, dem Viktor zur Zeit nicht entkommen konnte. Eigentlich dachte Viktor fürs erste auch nicht daran, irgendwohin zu fliehen. Seine Intuition sagte ihm, daß der Hausherr ein mehr oder weniger anständiger Mann, oder wenigstens ein Mann war, der sein Wort hielt. Niemand hatte Viktor in einen Käfig gesperrt, und in die Stadt ließ man ihn auch. Er war also fast frei. Bis auf die beiden Pässe, die irgendwo im Safe dieses Mannes lagen und ihn an diesen Safe banden. Denn ohne Paß kam er nicht mal bis Moskau. Aber wenn er nicht daran dachte, war fürs erste alles gar nicht so übel. Der Hausherr hatte Ljoscha für ihn gefunden, und Ljoscha hatte ihm von dem Moskauer Bankier und dem Privatzoo erzählt. Eigentlich hatte man ihm damit schon eine Art Vorschuß für die Arbeit gegeben, die er für Sergej Pawlowitsch erst noch tun sollte. Was ja auch ein Zeichen von Vertrauen war.
    Und so begann die Unterredung. Der trockene Rotwein mit dem kräftigen, leicht bitteren Käse – alles paßte. Es entspannte und schuf eine freundliche Atmosphäre vollkommenen gegenseitigen Vertrauens.
    [82] »Morgen kommt ein Trupp PR -Berater aus Moskau«, bemerkte der Hausherr nach einem Schluck Wein. »Du sollst über ihre Ideen auf dem laufenden sein und mir deine Kommentare geben. Wenn dir was nicht gefällt, kommst du gleich zu mir und sagst es. Klar?«
    »Gut.« Viktor nickte.
    »Außerdem verstehst du doch was von Politik? Du hast doch für eine Zeitung gearbeitet?«
    »Nicht, daß ich viel verstehe, ich habe keine Artikel geschrieben…«
    »Nicht nötig!« Sergej Pawlowitsch winkte ab. »Schreiben an sich ist schon Politik! Sozusagen Politik in Aktion. Was ich jetzt brauche, ist die Politik der Versprechungen… Verstehst du? Eine Karriere in der Politik fängt man mit Versprechungen an. Also, sag mir: was muß ich versprechen?«
    »Wem versprechen? Dem Volk?« fragte Viktor nach.
    »Das Volk wählt doch, also dem Volk!«
    Viktor überlegte, erinnerte sich an Wahlprogramme, die er irgendwann einmal gelesen hatte.
    »Also, das Volk ist verschieden… Die Armen wollen Geld, die Hungrigen Essen, die Satten Annehmlichkeiten und Steuersenkungen…«
    »Halt, mach langsamer!« unterbrach ihn Sergej Pawlowitsch. »Du sagst da kluge Dinge, die muß man sich merken… Nein, warte!«
    Sergej Pawlowitsch rief seinen Leibwächter und schickte ihn nach Stift und Papier. Der brachte beides.
    Nachdem er noch etwas Wein getrunken hatte, legte Sergej Pawlowitsch ein Blatt Papier akkurat vor sich hin, setzte den Stift an und hob den Blick zu Viktor.
    [83] »So, jetzt der Reihe nach. Die Armen wollen Geld«, wiederholte er und schrieb es auf. Dann sah er wieder Viktor an. »Die Hungrigen Essen, die Satten… Und wie definierst du satt oder nicht satt?«
    Hier mußte Viktor überlegen. »Satt, das war bildlich gemeint. Man könnte auch sagen: die Reichen.«
    »Nein, warte!« Sergej Pawlowitsch legte den Stift fort. »Ich glaube, hier machst du es dir zu einfach! Satte und Reiche, das ist nicht dasselbe. Also, ein Reicher ist immer satt, wenn er nicht gerade Diät macht. Aber ein Satter ist nicht unbedingt reich! Und was heißt das?«
    »Das heißt, es gibt viel

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