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Pinguine frieren nicht

Pinguine frieren nicht

Titel: Pinguine frieren nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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zusammengeklappt und ordentlich aufgereiht. Er nahm einen und klappte ihn rasch auseinander. Auf sein Gesicht trat ein unbehaglicher Ausdruck. Er setzte sich in den Gaststuhl und legte die Hände oben auf die verchromten großen Räder. Er schubste die Räder an, und der Stuhl rollte zur Tür. Dann fuhr er vor zum Tresen und stieß von hinten gegen Ljoscha, der gerade gekonnt an der Kaffeemaschine hantierte.
    Ljoscha drehte sich um. »Laß den Quatsch! Na los, such dir einen Tisch aus, und setz dich schon mal!«
    Viktor stand auf, hob den leichten Rollstuhl hoch, trug ihn über Ljoschas Kopf um den Tresen herum und stellte ihn an einen Tisch in der Nähe. Dann setzte er sich wieder hinein. Jetzt rückte alles an seinen richtigen Platz. Die Tischchen hatten die perfekte Höhe, wenn man in einem Rollstuhl saß.
    Etwa zwei Minuten später fuhr Ljoscha hinter dem Tresen hervor. Auf einem Tablett, das an seinen Rollstuhl montiert war, standen zwei Kaffeetassen und eine Zuckerdose.
    Er rollte schwungvoll an den Tisch, bremste kühn und stellte eine Tasse Kaffee vor Viktor hin.
    [78] »Tja«, sagte er, während er den Zucker in seiner Tasse umrührte. »Das eine verlieren wir, das andere finden wir…«
    »Bist du Philosoph geworden?« fragte Viktor. Das Café kam ihm schon überhaupt nicht mehr seltsam vor.
    »Was bleibt einem übrig?« Ljoscha machte eine ausladende Geste.
    Viktor schien es auf einmal, als wären Ljoschas Arme viel länger geworden als früher. Länger und sehniger.
    »Erzähl, was ist passiert?« fragte Viktor.
    »Einmal macht der Minensucher einen Fehler, und an diesen Fehler erinnert er sich für den Rest seines Lebens, falls er Glück hat… Das tu ich jetzt auch. Was für ein Begräbnis haben sie versaut! Kurz, meinen Chef und seine zwei Nächsten hat es in Stücke gerissen, ich bin nur kürzer geworden. Und war mit einem Schlag ohne Geld und ohne Beine. Gut, daß Freunde mir geholfen haben« – er überblickte kurz das Café –, »ich hatte bald wieder was zu tun. Jetzt halte ich den Laden hier in Schwung.«
    Ljoscha erzählte Viktor noch, daß das Café offiziell dem Verein der Auslandskämpfer gehörte und darum keine Steuern zahlte. Es wurde auch nie was überprüft – der Ort interessierte niemanden. Nebenan befand sich ein Wohnheim für Invaliden aus dem Afghanistankrieg. Geplant war auch noch ein Invalidensportverein, aber so weit war die Sache noch nicht gediehen. Auf jeden Fall hatten sie genug Rollstuhlfahrer für eine ordentliche Olympiamannschaft beisammen. Und alle mit starken Armen.
    »Und was ist mit Mischa?« stellte Viktor schließlich seine Hauptfrage.
    [79] »Mit dem Pinguin?« Ljoscha kratzte sich nachdenklich hinterm Ohr. »Tja, das ist so eine Geschichte… Mit ihm ist etwas Dummes passiert. Kurz vor seinem letzten Begräbnis war mein Chef auf einmal in Schwierigkeiten, jemand hat uns reingelegt, weißt du. Da kamen ein paar Waggons mit Hochprozentigem ohne Papiere, für dreihunderttausend Grüne. Die Papiere sollten wir am nächsten Morgen kriegen, aber in der Nacht ist die Abteilung gegen das organisierte Verbrechen angerückt und hat alles beschlagnahmt. Da war auch mit Geld nichts zu machen. Danach gab es noch mehr solche Geschichten. Am Schluß hatte er Schulden von einer Million bei einem Typen in Moskau, dem hier ein paar Tankstellen gehörten… Tja, und der hat für die Schulden Mischa mitgenommen, er hat in der Nähe von Moskau seinen Privatzoo. Ich konnte einfach nichts machen…«
    »Und wie finde ich diesen Moskauer?«
    »Er ist jetzt bei sich daheim. Seine Tankstellen hat ihm irgendeiner unserer Abgeordneten weggenommen, kurz, aus der Ukraine haben sie ihn rausgedrängt.«
    »Wie heißt er?«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Ja.«
    Ljoscha musterte ihn nachdenklich. »Sein Spitzname ist Sphinx. Dem Paß nach: Ilja Kowalew. Er hat eine Bank in Moskau, die ›Kommertscheskij Gasowyj‹. Hast du denn eine Ahnung, was das heißt?«
    »Eine Bank?« Viktor zuckte die Achseln. »Was kann das schon heißen – viel Geld…«
    Ljoscha schüttelte den Kopf. »Eine Bank, das heißt: ein [80] eigener Geheimdienst, eine eigene Armee, die Möglichkeiten, wen man will zu kaufen oder so zu vernichten, daß man in keinem Safe mehr was findet.«
    Viktor seufzte tief.
    »Weißt du, daß sie dich gesucht haben?«
    »Weiß ich«, sagte Viktor.
    »Und da fährst du einfach so durch die Stadt?«
    »Was soll ich denn machen?« fragte Viktor. »Ich will Mischa finden.«
    »Das ist echte

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