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Pinguine frieren nicht

Pinguine frieren nicht

Titel: Pinguine frieren nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Bim und sah dann Viktor aufmerksam direkt in die Augen.
    Viktor geriet etwas in Verlegenheit, da er erwartet hatte, [221] daß Bim das Gespräch eröffnen würde, aber Bim schwieg und sah Viktor ebenfalls erwartungsvoll an.
    »Entschuldigung, wie heißen Sie?« wandte Viktor sich an den Braungebrannten, um das Gespräch irgendwie in Gang zu bringen.
    »Eldar Iwanytsch«, sagte der Braungebrannte. »Also, ich höre Sie…«
    »Erzähl ihm alles, was du mir gesagt hast«, ermunterte Bim Viktor mit freundlicher Geduld.
    Viktor wiederholte die Geschichte von Mischa-Pinguin zögernd und in einer vor Erschöpfung deutlich gekürzten Version.
    »Aha!« nickte Eldar Iwanytsch. »Jetzt wird erkennbar, wozu ich hier bin…«
    Er sah Bim an und rieb sich mit den Fingern der rechten Hand die Schläfe, wie um sich zu konzentrieren.
    »Witja.« Bim machte eine Pause, seufzte und fuhr dann fort: »Eldar Iwanytsch hat die Sphinx-Firma liquidiert. Du hast Fragen, er hat Antworten. Und ich sitze hier nur und esse und trinke Aniswodka.«
    Viktor nickte und richtete den Blick wieder auf den gebräunten Eldar Iwanytsch.
    »Alles sehr einfach«, sagte der gebräunte Liquidator achselzuckend. »Ein Teil des Sphinx-Besitzes ist in Moskau geblieben – alle Immobilien –, allerdings kein Zoo mit Pinguin… Den hat Chatschajew mitgenommen.«
    »Und wer ist Chatschajew?« fragte Viktor, den in diesem Moment die Hoffnung auf einen erfreulichen Ausgang dieses Treffens verließ.
    »Chatschajew? An den hat Sphinx alles verloren, [222] Kasinobesitzer. Sie hatten gemeinsame Geschäfte, die für Sphinx schlecht ausgegangen sind… Aber dann hat es auch Chatschajew erwischt. Er hat eingepackt und sich nach Tschetschenien abgesetzt. Ich nehme an, diesen Pinguin hat er mitgenommen.«
    »Sie meinen, der Pinguin ist jetzt in Tschetschenien?« fragte Viktor fassungslos und starrte Eldar Iwanytsch verwirrt an.
    »Das würde ich so konkret nicht sagen. Der Pinguin ist irgendwo im Nordkaukasus, kann aber durchaus in Tschetschenien sein. Weiter kann ich Ihnen also nicht helfen… Oder soll ich Sie dem Pinguin nach Tschetschenien hinterherschicken?« fügte er mit einem sarkastischen Lächeln hinzu.
    Pinguin und Tschetschenien. In Viktors Kopf wollten diese zwei Worte nicht zusammengehen. Er schenkte sich noch Kognak ein und trank unter den wachsamen Augen seiner beiden Tischnachbarn. Bim und Eldar Iwanytsch tauschten Blicke.
    Der ältere Kellner brachte eine große Schüssel Reis und drei kleinere mit Fleisch, Garnelen und Fisch und stellte ein leeres Porzellanschälchen vor jeden hin. Vom Nachbartisch holte er ein metallenes Tablett mit Saucen und Gewürzen auf ihren Tisch herüber.
    Bim nahm sich Reis, legte Fleisch obendrauf und übergoß alles großzügig mit brauner Sojasauce. Dann leerte er seinen Aniswodka und bestellte gewöhnlichen.
    Bim und Eldar Iwanytsch tranken. Viktor trank auch und machte sich an das Essen. Seine Stimmung war grabesdüster, und er bat Bim, auch für ihn Wodka zu bestellen.
    [223] Bei Essen und Wodka redete es sich leichter. Eldar Iwanytsch gestand, daß er beim plastischen Chirurgen gewesen war und sich jetzt regelmäßig künstliche Bräune holte, um die Haut zu kräftigen. Bim brachte ihnen bei, wie man den Cocktail ›Grenzkonflikt‹ mixte. Das ging ziemlich einfach. Man kippte etwas Sojasauce in reinen Wodka und preßte eine halbe Zitrone hinein, dann rührte man diesen Cocktail kräftig und trank ihn auf ex. Viktor probierte, hatte aber keine besonderen Geschmackseindrücke, vielleicht war seine Stimmung daran schuld oder auch die Müdigkeit.
    »Siehst du«, sagte Eldar Iwanytsch, der dem ›Grenzkonflikt‹ bereits ausgiebig zugesprochen hatte. »Ich würde ja verstehen, wenn sie deinen Bruder oder deinen Sohn nach Tschetschenien geschafft hätten! Dann würde ich jetzt alles tun, damit du ihn findest, ich bin schließlich Russe. Aber du vergießt hier Tränen über einen Pinguin… Das ist irgendwie weder männlich noch russisch… Trinken wir lieber auf den Sieg der russischen Waffen!«
    Viktor runzelte die Stirn. Er vergoß ja keineswegs Tränen, und wenn sein Gesichtsausdruck gramvoll und ernst war, dann war daran nichts, dessen er sich schämen müßte.
    »Sie verstehen nicht«, sagte er mit schon schwerer Zunge. »Ich habe Ihnen ja nicht gesagt, daß er operiert wurde. Um ihn zu retten, hat man ihm ein Kinderherz eingepflanzt, sonst wäre er schon gestorben! Ich habe seinen Platz im Flugzeug besetzt! Und er sollte

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