Pinguine lieben nur einmal
aus dem Auto hochzuschleppen, den ich mit Mühe und Not und dank der Hilfe von zwei Typen, die ebenfalls vor der Warenausgabe standen, im Tetris-Verfahren in Papas Volvo gestopft habe. Irgendetwas muss ich ausgestrahlt haben, das die Jungs vor der Warenausgabe ganz gut fanden. Irgendwelche Energien haben da gepasst, irgendwelche Chakren waren im Lot, jedenfalls haben sie mir nur zu gerne geholfen. Sie haben mir gezeigt, wie man die Rückbank umklappt und die Kartons im Auto verstaut. Einer von ihnen hat mich allen Ernstes gefragt, ob er meine Handynummer haben könne. »Geht nicht«, habe ich gesagt. »Ich kaufe den ganzen Kram, um ein lebensfähiger Mensch zu werden. Und weil ich mich wieder mit meinem Freund vertragen will.« Das hat er mit Sicherheit nicht verstanden, aber das muss er ja auch nicht.
Beim Reintragen in die Wohnung gehe ich ungewohnt systematisch vor. Ich schleppe alles, was in mein Zimmer gehört, in mein Zimmer und alles, was mal im Flur enden soll, in den Flur. Die vielen kleineren Dinge, die Küche und Bad verschönern sollen, stelle ich erst mal bei Cem ab. Am Ende bin ich klatschnass geschwitzt, trotzdem war das der anstrengendste und erfüllendste Tag, den ich seit Langem hatte.
ROUTINE DURCHBRECHEN
Am nächsten Morgen wache ich um halb acht auf und fühle mich dynamisch und frisch. Statt mich noch einmal im Bett herumzudrehen, um wie gewöhnlich für viele weitere Stunden erneut einzuschlummern, setze ich mich auf und dehne meine schmerzenden Muskeln, die mich an die anstrengende Möbelschlepperei vom Vortag erinnern. Auf gewisse Weise tut es ganz gut, mein gestriges Tagwerk in jeder Faser meines Körpers zu spüren. Es ermuntert mich dazu weiterzumachen.
Nach einer kochend heißen Dusche inspiziere ich den Kühlschrank. Cem und ich sind meistens zu unorganisiert, um das Ding vor den Ferien und längeren Abwesenheiten leerzuräumen. Neben einem steinharten Laib Brot, einem angebrochenen, streng riechenden Becher Joghurt und einem Päckchen Butter ist nichts mehr da.
Also mache ich mich auf den Weg zum Einkaufen. Ich bin so motiviert, dass ich mir sogar eine Liste schreibe, die ich in nur einem Supermarkt abarbeite. Dabei ist heute nicht mal Samstag. Es fühlt sich sehr gut an, meine stumpfsinnigen Rituale zu durchbrechen und an einem Donnerstag zielstrebig durch den Aldi zu marschieren, ohne ungesunde Lebensmittel und überflüssigen Schnickschnack zu kaufen.
Nach dem Frühstück lösche ich meine melancholische Playlist und erstelle eine neue, zu der ich wie bekloppt durch die Wohnung hüpfe:
Der letzte Tag
Peter Fox
Shout (ready steady go)
Lulu
She was great
Beatsteaks
Soul with a Capital S
Tower of Power
Männer
Herbert Grönemeyer
Over the Rainbow
Israel Kamakawiwo ’ ole
I belong to you
MUSE
Gone in the Morning
Newton Faulkner
Hallelujah
Paramore
Shake-a-Booty
Hank Green
Bohemian Rhapsody
Queen
Play that funky music
Wild Cherry
Fünf Stunden verbringe ich damit, mein Zimmer auszumisten. Ich sortiere sämtliche Mitschriften und Kritzeleien der letzten drei Semester, ich hefte ab und werfe weg. Hinter mir türmen sich mehrere Müllsäcke. Ich trenne den Müll sogar. Anschließend räume ich den kompletten Kleiderschrank aus. Ich lege jedes einzelne Kleidungsstück neu zusammen, sortiere alles zu Stapeln und räume jeden davon in ein eigenes Schrankfach. Eine halbe Stunde verbringe ich allein damit, für alle vereinsamten Socken einen passenden Partner zu finden. Nie mehr in zweierlei Socken rumlaufen, die zwar irgendwie beide schwarz sind, aber irgendwie auch nicht, weil der linke bei genauerem Hinsehen doch dunkelblau ist und einen zwei Zentimeter kürzeren Schaft hat. Ich werfe endlich ein uraltes Paar Chucks weg, bei dem der Stoff nur noch mit zwei oder drei Klebefäden an der Gummisohle hing. Zuletzt wasche ich mein Bettzeug.
Als ich fertig bin, kommt mir mein Zimmer riesig und leer vor.
Dann baue ich das erste Regal auf. Das gute dunkelbraune Stück sieht pseudoedel aus und ist ab heute mein neuer bester Freund. Nie wieder werde ich meine Bücher schändlich auf dem Boden auftürmen. Das Zusammenbauen klappt viel besser als erwartet, auch die beiden CD - und DVD -Türme aus rotlackiertem Holz stehen innerhalb der nächsten zwei Stunden. Ich platziere sie neben dem Rolltischchen, auf dem der Fernseher steht, das riesige Regal schiebe ich mit vollem Körpereinsatz über den Zimmerboden an die Wand rechts neben dem Bett. Anschließend sortiere ich eine halbe Stunde lang
Weitere Kostenlose Bücher