Pinguine lieben nur einmal
»Scheiße.« Wieder eine kurze Pause. »Ich bringe ihm das Telefon.«
»Ist was passiert?«, höre ich Lenes Stimme in der Nähe des Hörers.
»Jetzt nicht, Mama«, erwidert Pia.
»Ist was mit Feli? Ist was passiert?«, wiederholt Lene.
»Ja, ich glaube, dein Sohn hat Mist gebaut«, antwortet Pia knapp.
Dass die beiden über mich reden, als würde ich es gar nicht mitbekommen, raubt mir jede Energie, die ich für mein Telefongespräch mit Janosch bitter nötig gehabt hätte. Warum laufen solche Sachen eigentlich nie so ab, wie ich sie mir ausmale? In meiner Vorstellung wäre Janosch sofort ans Telefon gegangen und beim Klang meiner Stimme erleichtert gewesen. Ich hätte ihm angehört, dass er sich freut, dass er nur auf einen Anruf gewartet, dass er sich verzehrt hat. Er hätte gesagt, dass er mich liebt und jetzt sofort zu mir kommen möchte, weil er es ohne mich nicht mehr aushält.
Stattdessen versuche ich weiter das unromantische Hintergrundgespräch zwischen Pia und Lene zu ignorieren.
»Etwa Janosch?«
»Nein, Mutter. Einer deiner anderen fünf Söhne. Natürlich Janosch.« Mit dieser sarkastischen Antwort nimmt sie mir förmlich die Worte aus dem Mund.
»Feli, ich gebe ihn dir jetzt«, sagt sie dann endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit. Ich höre, wie sie durch die Wohnung läuft, eine Treppe hochsteigt und eine Tür öffnet. Ihre Stimme nimmt einen zischenden, energischen Tonfall an, den ich noch nie bei ihr gehört habe: »Janosch! Telefon!«
»Telefon? Wer?«, höre ich Janosch fragen.
Mir rutscht alles irgendwohin, wo es definitiv nicht hingehört. Es fühlt sich an, als wäre mein Magen mal eben zu heiß im Schleudergang gewaschen worden.
»Frag nicht so blöd! Geh ran!«
»Ist ja gut. Ist ja gut.«
Der Hörer wird weitergegeben, und dann ist da plötzlich Janoschs Stimme. Nichts als seine Stimme. Kein Geräusch im Hintergrund oder in der Leitung. Nur er und ich. Es ist fast beängstigend.
»Ja?«
Ich schlucke und bin drauf und dran aufzulegen. Ich bin so was von sauer auf ihn. Zugleich vermisse ich ihn so sehr.
»Hi«, sage ich schließlich und überschwemme meine Wangen mit Tränen. Oh Mann! Tränen ist ein so pathetisches Wort. Jeder Satz, in dem Tränen vorkommt, klingt kitschig. Aber ich schwöre, es ist so. Ich sage bloß Hi, und schon fließt mir das Wasser unaufhaltsam aus den Augen.
Nach kurzem Zögern sagt auch Janosch: »Hi.«
»Ähm… eigentlich… nun ja… eigentlich weiß ich gar nicht, was ich sagen will.«
Ich höre ganz leise, wie Janosch lacht. Kurz darauf sagt er: »Ich kann dich kaum verstehen. Hör auf zu weinen.« Allerdings hat das Hör auf zu weinen nichts von einer romantischen Liebeskomödie, in denen dieser Spruch immer zuckersüß und wie ein Synonym zu Ich liebe dich klingt.
»Es geht nicht. Ich weiß nicht, wie«, schluchze ich.
Janosch schweigt.
Ich heule so leise und würdevoll wie möglich weiter.
»Was… was hast du die Tage so gemacht?«, frage ich, um wenigstens irgendetwas zu sagen.
»Ich, ähm, Feli, ich glaube, so geht das nicht. Du rufst doch nicht am Heiligen Abend um halb zwölf an, um mich zu fragen, was ich in letzter Zeit so gemacht habe.«
»Nein.«
»Ich weiß.«
»Ich dachte, vielleicht willst du mir ja was sagen.«
»Deswegen rufst du an?«
»Ja. Nein. Keine Ahnung…« Dann sage ich den Satz, der mir schon so lange auf der Seele brennt: »Ich will doch einfach nur mit dir zusammen sein, Janosch.«
Ich höre ihn schwer schlucken, die Nase hochziehen, kurz darauf ein Rascheln wie von einer Bettdecke, dann ein Husten und einen Seufzer.
»Warum hast du es keinem erzählt? Pia denkt, du hättest Streit mit Karo. Warum erzählst du so einen Quatsch?«
»Das war kein Quatsch. Ich habe mich mit Karo gestritten.«
»Aber… das verstehe ich nicht.« Das Weinen wird schlimmer. Er ist also tatsächlich schlecht gelaunt, weil er Streit mit Karo hat, und nicht, weil wir nicht mehr zusammen sind?
»Ich weiß. Aber ich kann es dir nicht erklären.«
»Warum nicht?«
»Weil ich dir nicht wehtun will.«
Ich pruste und wechsele wieder von Trauer in Zorn. »Du willst mir nicht wehtun? Machst du Witze? Mir hat noch nie irgendetwas so wehgetan wie das, was wir letzte Woche zueinander gesagt haben!«
»Ja, Feli, genau deswegen.« Janoschs Stimme klingt flau, er räuspert sich mehrfach und zieht die Nase hoch. Er weint nicht, Janosch ist kein Typ dafür, trotzdem zeigen seine körperlichen Reaktionen, dass es auch ihm schlecht
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