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Pinguine lieben nur einmal

Pinguine lieben nur einmal

Titel: Pinguine lieben nur einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kyra Groh
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dem Tigerenten-Janosch noch Janosch heißt, entspringt Benjamin Leberts Roman Crazy und ist in meiner Vorstellung Tom Schilling. Weil der ihn in der Verfilmung gespielt hat. Als ich den Film zum ersten Mal gesehen habe, war ich ungefähr zwölf, saß mit meiner Mama vor dem Fernseher und habe mich furchtbar geschämt, als Janosch Benjamin (das ist im Film Robert Stadlober) beim Onanieren erwischt und ihn passenderweise »Na, schon mal gefickt?« fragt. Wenn man den Film nicht gerade zwölfjährig mit seiner Mutter guckt, ist er übrigens sehr gut.
    Fakt ist: In meiner Welt heißen wirklich existierende Menschen nicht Janosch.
    Janosch, der gerne schwimmt.
    Ich wusste nicht, dass das geht, und schäme mich wieder dafür, dass ich es mir nicht vorstellen kann. Dabei ist Schwimmen wirklich kein Sport, für den man ein gutes Augenlicht braucht. Ich bin ohne Brille fast blind (diese Redewendung sollte ich mir abgewöhnen) und trage sie beim Schwimmen trotzdem nie. Das hat unter anderem den Vorteil, dass ich die Menschen, von denen ich glaube, dass sie mich im Schwimmbad gehässig anglotzen, nicht sehen muss. Wegen dieser Menschen gehe ich nicht mehr oft schwimmen. Cem hat mal zu mir gesagt, man bilde sich eh nur ein, im Schwimmbad angestarrt zu werden. Doch selbst wenn sie gar nicht starren, alleine dass ich glaube, sie würden es alle tun, lässt mich Komplexe oder auch Depressionen oder auch beides kriegen.
    Janosch, der gerne etwas alleine unternimmt.
    Was ist Simon? Eine Art Pfleger, der hin und wieder vorbeikommt, um nach dem Rechten zu sehen? Ist es blöd, einen Pfleger zu haben, oder eine Erleichterung? Mir täte es gelegentlich ganz gut, wenn es in meinem Leben einen dauergrinsenden Simon gäbe, der einen Zweitschlüssel zu meiner Wohnung hat, ausgeliehene Kuchenteller zurückbringt und ein bisschen mein Leben sortiert.
    Warum mache ich mir überhaupt so viele Gedanken um einen Menschen, den ich erst einmal (zweimal, wenn man unsere erste Zusammenkunft hinzurechnet) getroffen habe?
    Bestimmt ist die Ruhe hier für das Wirrwarr verantwortlich.
    Ich stehe vom Bett auf und suche mir eine CD aus. Ein bisschen Musik bringt mich bestimmt weg von dem Chaos, das momentan meinen Kopf bevölkert.
    Der erste Titel läuft noch keine Minute, als Cem meine Zimmertür aufreißt und gegen die laute Musik anbrüllt: »Hast du die Klingel nicht gehört? Es ist Besuch für dich hier.«
    Ich schalte den Ton ab und frage: »Aber nicht meine Mutter, oder?« Bittenichtbittenichtbittenicht.
    In dem Jahr, in dem ich nun hier wohne, hat sie mich zweimal unangekündigt besucht, und diese beiden Nachmittage haben unser Verhältnis schwer belastet. Sie versteht nämlich nicht, wie ich in so einer Unordnung leben kann, und ich verstehe nicht, warum ihr das nicht scheißegal ist.
    Heute sieht mein Zimmer aber um einiges furchtbarer aus als bei diesen beiden Spontanbesuchen. Wenn sie jetzt vor der Tür steht, dann werde ich enterbt.
    »Nein. Komm einfach.« Cem sieht mich an, als wäre mein Gesicht ein nackter Männerpo.
    Hab ich was gewonnen? Steht ein Verehrer vor der Tür oder zumindest ein Blumenbote, der mir von selbigem einen üppigen Strauß rot-, rosa- und lilafarbener Gerbera schenkt? Gibt es überhaupt lilafarbene Gerbera? Oder schlimmer: Gibt es auf diesem Planeten jemanden, der sie mir schenken würde?
    Ich folge ihm und stolpere mit unübertrefflicher Eleganz, weil ich mich mit dem Fuß in einem Pullover verheddere, der auf dem Boden liegt. Cem fängt mich auf, ehe ich schmerzhaft auf dem Parkett landen kann.
    »Wie hast du es überhaupt geschafft, zwanzig Jahre alt zu werden?«
    »Schutzengel«, vermute ich.
    »Na, der hat aber einen Fulltime-Job. Hoffentlich bezahlst du ihn gut.« Cem biegt in die Küche ab, bereit, HMB gründlich mit Fachvokabular zu beschimpfen. Er schließt die Tür hinter sich.
    Mein Blick fällt auf die Eingangstür und erstarrt mit mir im Duett.
    Janosch.
    »Tag«, sage ich dann. Tag? Erstens ist es schon halb acht, und zweitens sagen das nur alte Menschen und/oder Pullunderträger, die an überregionalen Schachwettkämpfen teilnehmen und in der Schule immer gehänselt wurden.
    »Wohl eher Abend«, korrigiert mich Janosch.
    »Ja, stimmt. Abend.« Hohles Kichern meinerseits. Ich muss mich ständig ermahnen, bloß nichts Falsches zu sagen . Schließlich will ich nicht, dass er mich für politisch inkorrekt oder so einen Blödsinn hält.
    »Ich wollte mich für den Kuchen bedanken. Das war nett.

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