Pinguinwetter: Roman (German Edition)
für so viel Schleimscheißerei.
»Na ja, und Sie wissen sicher auch, dass gerade in Zeiten wie diesen, gewisse … na ja, ich sage mal … Umstrukturierungen notwendig sind.«
»Aber natürlich, da bin ich ganz Ihrer Meinung.«
Jetzt ergriff Herr Dr. Wellenbrink das Wort: »Sehen Sie, Frau Sander, und deswegen können wir uns manchen Veränderungen eben auch nicht gänzlich entziehen.«
Natürlich können sie das nicht, wer will das denn auch? Bei der hervorragenden Arbeit, die ich seit Jahren im Sinne des Verlages abliefere!
Ich nickte schon wieder und kam mir langsam vor wie einer dieser Wackeldackel, die, außer zu nicken, wirklich gar nichts taten.
»Ich weiß, es wird Sie wahrscheinlich unvorbereitet treffen«, ergriff Schädler wieder das Wort, »aber wir wollten es Ihnen so schnell wie möglich mitteilen. Erst heute Morgen haben wir uns zu der endgültigen Entscheidung durchringen können.«
Durchringen? Na, das ist aber ein wenig negativ formuliert. Ich muss ja nicht direkt in den Himmel gelobt werden, aber so schlecht ist meine Arbeit sicher nicht, dass man sich dazu durchringen …
»Daher müssen wir Ihnen leider betriebsbedingt kündigen.«
Ich sah zwar, wie sich Schädlers Lippen synchron zu seinen Worten bewegten, aber sein lächelnder Gesichtsausdruck und das, was er soeben gesagt hatte, passten nicht zusammen.
»Waaas?«
Ich hatte das Gefühl, als schnürte mir eine eiskalte Hand die Kehle zu. Mein Körper saß regungslos und steif, bereits leicht eingesunken, auf dem weichen Nappalederstuhl. Ich konnte mich nur verhört haben!
»Wir müssen Sie leider gehen lassen, Frau Sander. Die Krise, Sie wissen ja … Dem Verlag ging es letztes Jahr sehr schlecht. Wir haben uns entschlossen, das Segment Freche Frauen komplett einzustellen. Sie sind ungebunden und jung … Sie finden sicher schnell etwas Neues.«
Das kann doch nur ein Scherz sein! Ist denn heute der erste April? Charlotte, denk nach!
Es war Mai. Ein Aprilscherz konnte es also nicht sein. Spätestens jetzt wünschte ich mir, dass sich vor mir ein Loch im Boden auftat. Ein ziemlich großes, mindestens in Größe L.
»Frau Sander? Haben Sie noch etwas zu sagen?«, holte der Schädler mich zurück in die Realität.
»Ähm … ja … also … Danke schön.«
Danke schön? Das ist alles, was mir in so einem Moment einfällt? Anstatt weltbewegende, historische Worte zu finden und mindestens einen Abgang wie Scarlett O’Hara hinzulegen? Die wäre jetzt nicht stolz gewesen. Das hätten ja sogar die Teletubbies besser hingekriegt! Und die habe ich bei diversen Babysitternachmittagen in meiner Vergangenheit derart zu hassen begonnen, dass ich sie eigenhändig erschlagen hätte, wenn ich nur gewusst hätte, wo sie wohnen. Niemals hätte ich gedacht, dass mir so was passieren könnte. Mir doch nicht, Charlotte Sander, studierte, berufserfahrene und weltgewandte Frau Anfang dreißig!
»Ja, na dann, alles Gute, Frau Sander. Ihr Zeugnis lassen wir Ihnen postalisch zukommen. Den Rest des Tages haben Sie selbstverständlich frei.«
*
So fühlte sich das also an. Ich hatte oft in Hollywood-Filmen gesehen, wie Leute, die gerade gefeuert worden waren, ihren Karton packten und mit der Pflanze unterm Arm aus dem Büro trotteten.
Mein Blick fiel auf die leicht vertrocknete Phalaenopsis auf der Fensterbank meines Büros, die ich an meinem ersten Arbeitstag vom Verlag bekommen hatte. Ich hatte mich gefreut, damals, und war zuversichtlich gewesen, dass ich diese Pflanze durchbekommen würde. Immerhin musste man Orchideen ja praktisch nie gießen.
Aber es sollte noch besser kommen als im Film.
»Ach ja, Frau Sander, die Phala…eh…nupsi … also die Pflanze … Na ja, sie war eher symbolisch als Willkommensgeschenk gemeint. Sie bleibt selbstverständlich dem Büro erhalten. Sie wissen ja, Ausstattung und so«, sagte Frau Zänker. Noch nicht mal ein Wimpernzucken war bei ihr zu erkennen.
Ausstattung und so. Nicht mal die mickrige Pflanze, oder besser gesagt, was davon übrig war, durfte ich mitnehmen. Also auch hier kein Hollywood-Abgang mehr. Noch nicht mal ein kleiner.
»Gut, dann …«, verabschiedete sich Frau Zänker und schüttelte meine mittlerweile eiskalte Hand.
»Ja, dann … Bis bald?!«
Zehn Minuten. Und schon war mein Leben anders.
2. Kapitel
Auf dem Heimweg fühlte ich mich wie ferngesteuert. Die Fußgängerzone Kölns war voller Menschen. Immer wieder rempelte mich jemand achtlos von der Seite an, und ich nahm Sprüche wie
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