Pinguinwetter: Roman (German Edition)
einer kleinen Runde um den Schalter geschart. Ich konnte dem Gemurmel um mich ein paar »Ohs!« und »Ahs!« entnehmen.
»Sie können sich wohl denken, was weiter passiert ist!« Mittlerweile brüllte ich.
Neugierig hatten sich noch weitere Fluggäste von den Nebenschaltern umgedreht und lauschten meinen Katastrophenausführungen. Ich blickte mich kurz um.
Ein Hut – schnell in die Runde geworfen – hätte sich jetzt sicher bezahlt gemacht.
»Und was ist weiter passiert?«, fragte eine ältere Dame aus der Gruppe hinter mir interessiert.
»Dann«, setzte ich wieder an, drehte mich zurück zu der Tickettante und holte tief Luft, »dann ist auch noch mein ganzes Geld wegen der scheiß Finanzkrise weg, und ich musste aus meiner Wohnung aus- und bei meiner Freundin einziehen – und zwar in das Ritterburgzimmer ihres Sohnes, der heimlich meinen besten Nagellack klaut!«
»Das ist wirklich schlimm«, kommentierte die alte Dame meinen Redeschwall.
»Ja, nicht wahr? Und dabei war er im wahrsten Sinne nigelnagelneu!«
Jetzt sah mich die alte Dame verstört an.
»Und dann habe ich wegen all dem Mist auch noch Streit mit meiner besten Freundin, weil die meint, dass ich emotional unfähig sei!«
Jetzt schürzte die alte Dame die Lippen und formte ein stummes »Oh!«.
»Und das absolute Highlight ist, dass ich meine Mutter heute mit den letzten paar Kröten, die ich besitze, am anderen Ende der Welt aus dem Schlamassel ziehen muss, obwohl ich doch selbst bis zu beiden Ohren drinstecke!«
Ich hing mittlerweile mit dem kompletten Oberkörper auf der Ablage, beugte mich tief zu der Tickettante hinunter, fletschte die Zähne, sah ihr tief in die Augen und sagte: »Und nach diesem ganzen Mist hier bietet mir mein reumütig zurückgekehrter Halblover namens Marc We-ge-ner – Sie haben schon verstanden, Liebchen! – an, mich an den verdammten Arsch der Welt zu begleiten!!!« Diesen letzten Satz brüllte ich so laut, dass sogar die Gäste an den weit entfernten Schaltern innehielten. »Und da kommen Sie und behaupten, Sie können mir nicht sagen, warum wir beide nicht zusammensitzen dürfen?!?«
Die Ticketfrau sah mich erschrocken an, und ich hatte das ungute Gefühl, dass sie jeden Moment den Notfallknopf drücken würde. Vielleicht hatte ich ein wenig übertrieben … Dann aber – wie von Zauberhand – wich der angsterfüllte Ausdruck der Tickettante einem mitleidigen Lächeln.
»Okay«, flüsterte sie verschwörerisch und beugte sich ebenfalls zu mir hinüber. Ihr frisch gepudertes Stirnchen war nur noch wenige Zentimeter von meiner nassgeschwitzten Stirn entfernt. »Ich sage Ihnen, wo das Problem liegt. Aber nur, weil Sie wirklich zu bemitleiden sind und wenn Sie mir versprechen, mich nicht zu verpfeifen.«
Ich nickte stumm und fixierte den Mund der Schalterfrau und formte meine Lippen zu einem »Los!«, ohne dabei meine Stimme zu verwenden.
»Marc Wegener kann nicht neben Ihnen sitzen«, erklärte sie ruhig, »weil er Businessclass gebucht hat.«
Er hat bitte was?!?
»Er hat bitte was?«, fragte ich.
»Sie haben schon richtig gehört. Er fliegt in der Businessclass. Sie dagegen sind auf Economy gebucht. Da liegt es in der Natur der Dinge, dass Sie nicht nebeneinandersitzen können.«
Ich traute meinen Ohren nicht.
»Das muss ein Irrtum sein«, sagte ich völlig fassungslos, »das kann nicht stimmen!«
»So leid es mir tut«, antwortete die Ticketfrau, »aber etwas anderes kann ich Ihnen nicht sagen.« Dann beugte sie sich noch einmal zu mir vor und flüsterte wieder: »Er hat auch bereits eingecheckt. Und Ihnen würde ich dasselbe empfehlen.«
Mir fehlten die Worte. Dass Marc den arroganten Schnösel raushängen lassen konnte, wenn ihm danach war, wusste ich. Aber dass er zu so einer Nummer fähig war, war echt die Höhe. Ich atmete tief durch und versuchte, meine Fassung wiederzufinden.
»Gut. Dann her mit Economy.«
»Gerne. Wir wünschen Ihnen einen guten Flug!«, sagte die Ticketfrau, als sie mir lächelnd mein Ticket überreichte.
»Werde ich haben«, antwortete ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Das können Sie mir glauben.«
Wortlos schnappte ich mein Ticket und stopfte meinen Reisepass zurück in meine Tasche. Ohne nach rechts und links zu sehen, beeilte ich mich, durch die Sicherheitskontrolle zu kommen.
»Herzlich willkommen an Bord!« Eine Stewardess Typ Dolly Buster in jungen Jahren lächelte mich an, als ich das Flugzeug betrat.
Die meisten Fluggäste saßen bereits auf ihren
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