Pinguinwetter: Roman (German Edition)
Plätzen. Ich steuerte auf Reihe 17, Platz A zu, warf aber noch mal schnell einen Blick auf mein Ticket, um mich zu vergewissern, dass dies tatsächlich mein Sitz war.
Von Marc war weit und breit keine Spur zu sehen. Ich würde meine Sachen ablegen und mich dann auf die Suche nach ihm machen. Weit konnte er ja nicht sein, wir waren hier ja immerhin nicht in der Antonow 225, dem größten Flugzeug der Welt.
Schon bevor ich an meinem Platz ankam, hörte ich wildes Kindergeschrei.
»Neeeeiiiiiiiiiiiiiiiin!«
Oh. Mein. Gott. Das kann doch nicht wahr sein!
»Komm schon, Jeremya! Du kannst nicht am Fenster sitzen! Die nette Frau hier hat den Fensterplatz gebucht!«, sagte die Mutter, als ich meinen Sitz erreichte.
Ein fieses Déjà-vu stieg in mir auf.
Okay, ich gebe auf, ihr könnt alles haben. Heute rege ich mich nicht mehr auf.
»Er kann gerne am Fenster sitzen«, sagte ich gleichgültig und stopfte mein Handgepäck in die Ablage. »Ich werde mich sowieso die meiste Zeit in der Businessclass aufhalten.«
»Jeremy aaa «, verbesserte die engagierte Mutter. » Sie kann also am Fenster sitzen? Das ist aber nett.« Sie freute sich sichtlich, gerade noch mehreren Stunden Gequengel entgangen zu sein. »Geschäftlich unterwegs?«
»Kann man so sagen«, antwortete ich und legte meine dünne Wildlederjacke auf dem Sitz ab.
»Die ist aber wunderschön! So eine wollte ich auch schon immer mal haben.« Sie lächelte ein wenig zerknautscht. »Aber Sie wissen ja, die Kinder. Sie gehen halt vor.«
Ich nickte. »Können Sie netterweise einen Moment auf die Jacke aufpassen?«
»Na klar«, antwortete Jeremy aaa s Mutter. »Sie haben mich vor mindestens fünf Stunden Geschrei bewahrt.«
Na siehste. Loyalität unter Frauen – es gibt sie noch!
»Jaaaa!« Jeremy aaa nahm wild hüpfend ihren neuen Fensterplatz ein, nicht ohne bei der Überquerung der Sitze mit ihren schlammverschmierten Schuhen auf meiner Wildlederjacke herumzutrampeln, was ihre Mutter natürlich unkommentiert ließ.
Okay, es gab sie doch nicht.
»Boarding completed!«, sagte eine blecherne Stimme aus dem Lautsprecher.
Marc musste hier irgendwo sein. Beim Reingehen hatte ich ja bereits versucht, ihn zu erspähen, war aber nicht erfolgreich gewesen. Also machte ich mich jetzt auf den Weg zum Eingang, zurück Richtung Businessclass.
21. Kapitel
»Marc?«
Ich entdeckte ihn in einer der ersten Reihen am Fenster. Er lugte über einer Frankfurter Allgemeinen hervor und tat überrascht. »Charlotte!«
Irgendwie hörte sich mein Name aus seinem Mund nicht gerade erfreut an. Hatte er sich etwa hinter der Zeitung vor mir versteckt?
»Marc! Warum sitzt du hier?« Meinen Tonfall konnte man als schrill bis kurz vor unsympathisch beschreiben.
»Äh …«
Ich konnte seine zurückhaltende Art, mich zu begrüßen, nicht nachvollziehen. Ihm musste doch wohl auch klar sein, dass es nicht ging, dass ich den ganzen Flug über alleine in der Holzklasse saß – und dann auch noch neben Jeremy aaa …
»Marc? Wer ist die Frau?« Eine antiseptische Blondine mit eingefrorenem Lächeln, XL -Brüsten und XS -Taille schaltete sich ein. Sie sah zuerst mich und dann Marc verstört an. Dann abwechselnd uns beide.
»Marc! Wer ist die Frau?«, fragte jetzt auch ich lautstark und ließ meinen Blick zwischen den beiden hin und her wandern.
Marc machte den Eindruck, als würde er jetzt gerne in einem dieser Löcher verschwinden, die man sich manchmal herbeiwünscht. Ich wartete nur noch darauf, dass er sich die Hand vors Gesicht hielt, ganz nach dem Motto: Ich sehe euch nicht, also seht ihr mich auch nicht!
Und diese Frau – das konnte ich auf den allerersten Blick erkennen – war eine Sauberfrau!
Sie trug leichtes Make-up, viel Wimperntusche (ohne Fliegenbeinchen – wie kriegte sie das nur hin?) und eine enge weiße Bluse, unter der man den BH nicht erkennen konnte (egal, was ich je probiert hatte, bei mir sah man den immer). Der perfekte Ausschnitt ließ gerade genug Einsicht in das leicht gebräunte Dekolleté, das von einer zierlichen Perlenkette geschmückt wurde. Abgerundet wurde das perfekte Erscheinungsbild durch eine graue Stoffhose.
»Marc?!«, wiederholte Sauberfrau. »Wer ist diese Frau? Und was will sie von dir?«
Jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen! Das musste Sarah-Nadine sein … Aber das konnte, das durfte nicht wahr sein!
»Eh, ja … also … hmhm …«, druckste Marc herum. »Na ja, irgendwie hatte ich mir die Situation etwas anders vorgestellt
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