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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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verschmutzten Gesichter. Sie hörten Stimmen. US-Infanteristen verschnauften vor dem nächsten Angriff. Sie konnten nur ein paar Meter von ihnen entfernt sein.
    Bruno spürte einen Niesreiz und kämpfte verzweifelt dagegen an. Sie drückten ihm ein Taschentuch auf Mund und Nase. Seine Augen traten hervor, als ob er ersticke.
    Eine halbe Stunde später war die erste Welle der Angreifer weitergezogen.
    »So, Sportsfreunde«, sagte Oberleutnant Sollfrei. »Amis sind wir nun lange genug gewesen. Runter mit der Uniform!«
    »Und dann?« fragte der Gorilla begriffsstutzig.
    »Dann türmen wir in Turnhemd und Unterhosen weiter.«
    »Da wird man uns schön auslachen«, erwiderte Panizza.
    »Besser, sie lachen uns aus, als sie hängen uns auf«, versetzte Sollfrei.
    »Das ist 'n Wort«, entgegnete Kopetzky.
    Sie begannen sich die olivgrünen Klamotten vom Körper zu reißen, die sie unter den Strohballen versteckten. Dann kauerten sie wieder im Wagen und dösten. Der Gorilla sah auf die Uhr. »Bloß noch siebeneinhalb Stunden, bis es Nacht wird«, blödelte er.
    Die beiden anderen sagten kein Wort; Kopy konnte sie weder erheitern noch schrecken.
    Nach der Endlosigkeit dieses Tages senkte sich die Dunkelheit über das Schlachtfeld. Sie krochen aus dem Jeep, verfolgten die Lichtschnüre der Leuchtspurmunition, sicherten nach allen Seiten und schoben sich dann vorsichtig in westliche Richtung weiter.
    Der Himmel war klar, die Sterne blinkten wie winzige Juwelen. Die Landschaft trug Mitternachtsblau.
    »Ein, zwei Stunden noch«, sagte Panizza, »und wir sind in Tombolo und dort so sicher wie in Abrahams Schoß.«
    Als sie die Lotter-Oase kennen gelernt hatten, lachten sie noch oft über Brunos biblische Vorstellung.
    Das Völkergemisch der 5. US-Armee hatte sich schon am frühen Morgen zum Angriff bereitgestellt, um die Deutschen über den Arno auf die Linie Pisa-Pontedera-Empoli-Florenz zurückzudrängen. Der Wetterbericht war günstig. Mit einem blutigen Großkampftag mußte gerechnet werden. Die Zivilbevölkerung war geflüchtet oder hatte sich in die Keller verkrochen, um bangend und betend den Weltuntergang zu überleben.
    Ein Bauer aus dem Dorf Campannoli führte seinen Jagdhund in der ersten Morgendämmerung über die Felder. Der Vierbeiner jagte die Anhöhe zu einem Zypressenhain hoch. Trotz aller Pfiffe und Lockrufe verharrte das Tier winselnd und bellend oben. Sein Herr mußte ihm schimpfend folgen.
    »Madonna in bicicletta!« rief er erschrocken, als er drei gefesselte und geknebelte Soldaten am Boden fand. Er zog dem Kräftigsten von ihnen den Knebel aus dem Mund. Zum Entsetzen des Retters redete der Deutsche jetzt auch noch Englisch.
    Der Italiener rannte mit seinem Hund auf die Straße zurück und redete gestikulierend auf einige GIs ein. Sie näherten sich dann zögernd der Anhöhe, auf die der Bauer deutete.
    »Listen, boys«, sagte Sergeant Cliff zu den beiden anderen übertölpelten Militärpolizisten, als er endlich Luft bekam und wieder durchatmen konnte. »Ihr haltet die Klappe. Laßt mich diese Scheiße erklären. Wir werden uns schon herauswinden.«
    Die US-Infanteristen stiegen, die Waffe im Anschlag, den schmalen Weg hoch, machten, wie sie meinten, drei deutsche Kriegsgefangene und ließen sich zuerst einmal zur Erinnerung in Heldenpose mit ihnen ablichten.
    »At least fifteen, maybe twenty Germans«, behauptete Cliff. »Wir hatten keine Chance gegen eine solche Übermacht. Es geschah ganz plötzlich, und ich bin froh, daß sie uns nicht gleich abgemurkst haben.«
    Die GIs waren verwirrt. Ein neuer Trick der Krauts? Als sie die anderen losgeschnitten und von den Knebeln befreit hatten, begriffen sie schließlich, daß das keine deutschen PoWs waren, sondern amerikanische Soldaten in der Uniform des Gegners. Hier mußte etwas verdammt faul sein.
    Einer der GIs jagte auf die Straße zurück, ging an seinen Wagen und forderte per Sprechfunk die militärische Abwehr an.
    Überraschend schnell kam ein junger CIC-Oberleutnant mit hartem Gesicht und kurz geschnittenem Haar und folgte stumm den Behauptungen des MP-Sergeants, der immer farbiger schilderte, wie er von der fünften Kolonne plötzlich von allen Seiten umstellt und niedergeschlagen worden sei.
    Der Abwehroffizier bückte sich und hob eine leere Malt-Whisky-Flasche auf, hielt dem Sergeant das Etikett vor. »Vielleicht mit dieser Waffe?« fragte er. »Sie haben jetzt noch eine Schnapsfahne. Ich denke, Sie sparen sich weitere Erklärungen für das

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