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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Kriegsgericht auf.«
    Er ließ den drei MPs, die erst wieder lernen mußten, ihre Glieder normal zu bewegen, Drillichzeug verpassen. Die drei deutschen Uniformen nahm er als Beweisstück an sich. Der CIC-Offizier, trotz seiner Jugend ein skeptischer, tüchtiger Investigator, nahm von vornherein an, daß es sich eher um ein Wachvergehen als um einen Anschlag der fünften Kolonne handelte, die ohnedies meistens nur in der US-Presse vorkam. Es änderte aber nichts daran, daß sich im Aufmarschgebiet der 5. Armee mindestens drei Deutsche in US-Uniform und einem gestohlenen Jeep herumtrieben. Vielleicht waren weit mehr Krauts an diesem Überfall beteiligt, auf keinen Fall aber fünfzehn bis zwanzig.
    Der CIC-Offizier mußte die Meldung an seine Division weiterleiten, die sofort den Adjutanten von General Clark informierte. Dieser gab umgehend eine Blitzwarnung vor deutschen Geistersoldaten in amerikanischer Uniform durch, und zwar an das ganze Völkergemisch, an alle amerikanischen, englischen, polnischen, indischen, französischen, australischen, neuseeländischen, brasilianischen Einheiten. Die Folgen waren ungeheuer; der Colonel hatte geschafft, was den deutschen Verteidigern nicht mehr gelingen konnte: den alliierten Aufmarschplan gründlich durcheinander zu bringen.
    Franzosen nahmen Amerikaner fest; Amerikaner Brasilianer. Wo immer Soldaten in US-Uniform in einem Jeep auftauchten, war der Teufel los, wurden Fragen gestellt, Festnahmen vorgenommen und später Entschuldigungen gestottert. Über Stunden hinweg zündete die Panik immer schlimmere Groteskszenen. Die Agentenjagd war auf einmal wichtiger als die Offensive. Gegen Mittag waren bereits die ersten Schüsse gefallen: Neuseeländer hatten eine reguläre MP-Streife unter Feuer genommen, ohne die GIs zu treffen.
    Zu dieser Stunde saß Craig Ginty, der Leiter des OSS-Vorauskommandos, im ersten Dorf hinter der Front in seinem Privatquartier, das er mit dem CIC-Oberleutnant vorübergehend teilte. Er trug eine Offiziersuniform ohne Rangabzeichen. Tatsächlich gehörte er nicht zur Armee, leitete aber, von ihr unterstützt, Untergrundoperationen auf der anderen Seite.
    Endlich hatte der alliierte Oberkommandierende grünes Licht für die Unterstützung italienischer Partisanen gegeben. Mit der Einnahme Roms wurde der Zulauf zur Resistenza überwältigend. Schon beherrschten Mitglieder eines ›Corpo Volontari Libertà‹ ganze Gebiete. Die Bewegung griff auf Norditalien über wie ein Lauffeuer; 225 Sabotage-Anschläge auf Bahnlinien wurden in kurzer Zeit verübt. Im Piemont, Ligurien, in der Lombardei und der Emilia setzten die Partisanenorganisationen bereits Bürgermeister und Kreisregierungen ein. Für die Donovan-Männer kam es jetzt darauf an, die richtigen Freischärler mit den nötigen Waffen zu versorgen.
    Am vordringlichsten war zunächst die Vernichtung der Molosso-Verrätergruppe. Soeben hatte Jack Panizza an Ginty durchgegeben, daß der Einsatz heute Nacht pünktlich am verabredeten Ort steigen würde. Gus Cassidys Funkgerät hatte wegen der nötigen Handlichkeit nur eine geringe Reichweite, aber der Empfang war klar und eindeutig. Der pausbäckige, kraushaarige Einsatzleiter gab die Bestätigung durch und stellte auch ein Kommando zusammen, um nach dem ersten Hinweis Charly Poletto und Herbie Miller herauszuholen, so wie er selbst vor kurzem in Kroatien in einem verwegenen Lufteinsatz gerettet worden war.
    Mit der Distanz des Unbeteiligten verfolgte Ginty die Jagdszenen als Folge der babylonischen Sprachverwirrung. Er hatte seiner unfreiwilligen Quartiergeberin Fleisch und alle Zutaten für ein Pranzo besorgt. Seine Vorliebe für die italienische Küche schloß seine professionelle Tüchtigkeit nicht aus. Man sagt, Kochen sei auf der ganzen Apenninhalbinsel eine Leidenschaft. In der Toskana aber zelebriert man eine Kochkunst ohne Schnörkel und ohne Überzogenheiten, die dadurch weltberühmt wurde.
    Draußen stank es nach Pulverbeize und Verwesung, in dem kleinen Haus aber duftete die auf dem Herd brodelnde Salsa für die Pasta aus drei Fleischsorten und mindestens sieben Gewürzen, Tomaten und Olivenöl. Um seine Wirtin aus dem Keller zu locken, hatte Ginty die ganze Familie eingeladen, auch zu dem herrlichen bistecca alla fiorentina, auf Kohlefeuer gegrillt: zartes und doch kräftiges Fleisch, das nicht mehr von einem Kalb und noch nicht von einem Rind stammt (vitellone nennen die Toskaner ihre Weder-noch-Delikatesse).
    Es wurde gerade angerichtet, als

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