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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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zu Pluto. »Du mußt es mir später wiedergeben.«
    Der Partisanenführer nickte. Ohnedies hielt er die abgeworfenen Beutewaffen für eine großzügige Entlohnung. Inzwischen kannte er den Capitalista, dessen Weisungen er freiwillig folgte, gut genug, um zu wissen, daß Panizza nicht auf eigene Vorteile aus war.
    Filippo, der Aufsteiger des Lupini-Clans, war beim Auftauchen Cesares sofort klar geworden, daß der Lastzug eine Falle sein mußte. Schon bevor die Schüsse fielen, war er aufgesprungen, hatte sich in einem Halbkreis um die Wiese herum im Unterholz der Pineta verkrochen und das Fiasko als Augenzeuge erlebt.
    Calabreses Rivale war ein kaltblütiger Bursche mit einem ausgeprägten Killerinstinkt, und in diesem Gelände kannte er jeden Baum, jeden Strauch, jeden Graben. Aus seinem sicheren Versteck heraus beobachtete er die Männer, die seine Gruppe niedergeschossen hatten. Er sah, wie sie die Taschen der Toten leerten und die Leichen nebeneinander legten. Filippo kochte vor Zorn, doch er überlegte besonnen, wer der Anführer dieser bastardi sein könnte; er tippte auf Jack Panizza, der in ihrer Mitte stand und Anweisungen gab.
    Die drei Männer, die ganz in seiner Nähe ebenfalls in Deckung lagen, hatte Filippo nicht bemerkt. Ex-Oberleutnant Sollfrei und seine zwei Begleiter hatten bei der Schießerei zuerst vermutet, andere seien ihnen bei der Jagd auf das Wildschwein zuvorgekommen, und waren vorsichtig an den Rand der Pineta gekrochen. Jetzt waren sie nahe genug, um zu sehen, daß sich ein Massaker abgespielt haben mußte – und sie würden sich hüten, einzugreifen.
    Aber dann machte der Gorilla unter den Toten den verhaßten Calabrese aus. »Was sagst du, Oberleutnant«, grinste er. »Die Wildsau wurde doch abgeschossen.«
    »Mensch!« schrie Bruno. »Das ist doch …« Er sprang auf und lief auf die Männer zu. »Jack!« rief er seinen Vetter von weitem an. »Jack!«
    »Gran Dio!« rief der Amerikaner.
    Er drehte sich verblüfft um. Plutos Männer richteten ihre Waffen auf Bruno. Jack pfiff sie zurück.
    »Che sorpresa, Bruno!« rief er. »Il mio cugino.« Er lief ihm entgegen, drehte sich dabei um. »Il figlio del mio zio«, erklärte er. »Der Sohn meines Onkels.«
    Filippo hatte Jack im Visier. Er schoß, sprang hoch und verschwand sofort in der Pineta.
    Die Männer warfen sich auf den Boden. Herbie, Fausto und Enzo krochen in die Richtung, aus der der Feuerstoß eines einzelnen Heckenschützen gefallen war. Sie erreichten das leere Unterholz und erkannten, daß eine Verfolgung zwecklos war.
    Enzo blieb sicherheitshalber zurück; die anderen beiden erfassten erst jetzt, daß es den Regisseur ihres Coups erwischt haben mußte.
    Jack Panizza lag, mehrfach getroffen, am Boden.
    »Jack!« rief Bruno. »Mach keinen Quatsch, Jack!« Er hielt seinen Vetter fest und redete auf ihn ein; aber dann mußte der Junge einsehen, daß er zu spät gekommen war. Er richtete sich auf, sah den Schmerz, den Zorn und die Trauer in den Gesichtern der Umstehenden.
    Herbie wandte sich ab, damit die anderen nicht bemerken konnten, daß ihm Tränen in die Augen schossen. Auch Gus Cassidy schluckte trocken.
    Verstört reichte Pluto Bruno die Hand. »Siamo in gran disperazione. Jack – era nostro vero amico e un amico d'Italia.«
    Der Italiener ging bekümmert zum Lastzug zurück, holte einen Spaten und übergab ihn dem Vetter des Getöteten. »Abbiamo molta fretta«, entschuldigte er sich. »Wir sind sehr in Eile.« Er wies auf die Toten, auf den Calabrese und seine Komplizen. »Questi erano mafiosi«, erläuterte er den Grund des Gemetzels.
    Sie machten sich davon, und die Italiener und die beiden Amerikaner bestiegen den Lastzug.
    Bruno sah ihm nach, bis er als kleiner Punkt auf seinen Pupillen schwamm.
    Stumm trugen Sollfrei und Kopetzky Jack an die Stelle, an der der Baldachin am dichtesten war. Dann hoben sie zu dritt sein Grab aus, betteten ihn behutsam hinein, schaufelten den Toten wieder zu. Mit der Spatenkante ritzten sie ein Kreuz in die Rinde des nächststehenden Baumes.
    »Ich werde Jack in meine Heimat am Kalterer See umbetten«, versprach Bruno. »Sowie die Möglichkeit dazu besteht.«
    Seine beiden Freunde ließen ihn allein. Der Junge blieb noch eine Weile am frischen Grab unter den Pinien stehen und hielt einseitige Zwiesprache mit dem amerikanischen Panizza, einsam, hilflos, erfüllt von untauglichen Worten, ungeweinten Tränen und unterlassenen Gebeten, die nachträglich schon gar keine Erhörung mehr

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