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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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unterstand. Der intelligente Offizier, ein ziemlich ungebremster Draufgänger, war an keine militärische Unterordnung, an kein Budget und kaum an einsame Generalstabsbeschlüsse gebunden. Wild Bill durfte selbständig handeln und machte reichlich Gebrauch davon; deshalb wurde er von den anderen Generalen beneidet und beargwöhnt. Sie wandten sich nur an sein ›Office of Strategie Services‹, wenn sie es dringend brauchten, was allerdings so selten nicht war. Es hinderte sie aber nicht daran, hinter Donovans Rücken Sturm gegen seine Selbstherrlichkeit zu laufen und sich querzulegen, wo es nur ging.
    »Ich heiße Sie willkommen, Poletto«, empfing ihn der General.
    Ohne viele Worte zu machen, heftete er dem Überlebenden den ›Silverstar‹ an die Uniformjacke und drückte ihm die Hand. Unkonventionell wie die Ordensverleihung unter vier Augen war auch ihre Fortsetzung: Der General schenkte zwei üppige Bourbons ein, um die hohe Auszeichnung gleich zu begießen.
    »Dieses ›Blow-up‹-Unternehmen hat sich als ein fürchterlicher Flop erwiesen«, stellte der alerte General ohne Umweg fest. »Das Lehrgeld war einfach zu hoch – eigentlich unbezahlbar. Sie verdanken es Ihrer Ausbildung und Erfahrung, daß Sie dem Schlamassel lebend entkommen sind. Das Glück des Tüchtigen.«
    »Danke, Sir«, erwiderte der Spezialagent und nahm mäßig Haltung an; OSS-Leute waren eigentlich Zivilisten – nur gelegentlich trugen sie Uniform.
    »Leider haben wir nicht viele Männer wie Sie, Charly«, lobte Donovan. »Ich finde, Sie sollten Ihr Können auch an andere weitergeben. Ich möchte Ihnen die Leitung eines eigenen Kommandos anvertrauen«, fuhr die Nummer Eins fort. »Jetzt erholen Sie sich erst einmal ein paar Tage in Rom – das haben Sie sich wirklich verdient –, und ich verfüge inzwischen Ihre Beförderung. Anschließend melden Sie sich dann bei unserer OSS-Dienststelle in London.«
    »Wieso London, Sir?« fragte Poletto unmilitärisch.
    »Von dort aus werden Sie künftig in Frankreich eingesetzt. Dort braucht man dringend Männer wie Sie.«
    »Und in Italien nicht?« erwiderte er angriffslustig.
    »Nicht mehr so dringend«, behauptete Donovan. »Die Siegesstraße nach Deutschland führt über Paris.«
    »Ich wollte nach La Spezia zurück, um meine Kameraden zu rächen …«
    »Das ist bereits geschehen«, erwiderte der General. »Da ist Ihnen Ihr Freund Panizza zuvorgekommen.«
    »Jack?« fragte Poletto.
    »Ja. Panizza hat mit Hilfe italienischer Partisanen im feindlichen Hinterland siebzehn Verräter liquidiert.« Der General sah einen Moment lang zum Fenster hinaus, um das Gesicht von Poletto abzuwenden. »Leider ist Panizza am Schluß noch gefallen …«
    »Dann steht es also siebzehn zu sechzehn für uns«, entgegnete der Besucher mit blutleeren Lippen. »Kein sehr vorteilhaftes Verhältnis, Sir. An dieser Schweinerei waren doch weit mehr Gangster beteiligt und nicht nur Italiener …«
    »Darum kümmert sich in meinem Auftrag bereits Mike Plesco. Er befindet sich vor Ort. Und die schuldigen Deutschen werden wir nach dem Krieg zur Rechenschaft ziehen.« Der General klopfte ihm auf die Schulter. »Alles klar, Charly?«
    »Nein, Sir.« Poletto blieb hartnäckig. »Ich spreche nun mal Italienisch und nicht Französisch.«
    »Deswegen kann ich Ihnen leider keinen eigenen Kriegsschauplatz zur Verfügung stellen«, übertrieb Donovan, leicht ungehalten.
    Der Mann, der zum Rapport befohlen worden war, wurde hellwach: Sollte an den Ablösungs-Gerüchten, die er als lächerlich abgetan hatte, doch etwas sein? Wollte man ihn aus dem Land seiner Vorfahren wegloben? Hat man ihm den ›Silverstar‹ verliehen, um eine bittere Pille durch Zuckerguss zu versüßen?
    Charly stammte aus Chicago, der Stadt AI Capones, und als Sohn sizilianischer Einwanderer war er ein Dago. In einer bestimmten Betonung war das ein Schimpfwort. Diesen Klang hatte Poletto von seiner Schulzeit her noch im Ohr: Es hörte sich an wie Maccheroni, Vogelfresser, Katzelmacher, Hurenbock und Messerstecher.
    In dieser Hinsicht war er empfindlich, gereizt und konnte sofort durchdrehen. Charly hatte sich in seiner Jugend durch viele Schlägereien boxen müssen und war fast immer Sieger gewesen, schon weil er sich mit anderen Italo-Amerikanern zusammengetan hatte. Inzwischen war seine Dünnhäutigkeit zur Dickfelligkeit verwachsen; aber auf einmal, dem General gegenüberstehend, brach die alte Empfindlichkeit wieder auf wie eine Straßendecke im

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