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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Frost.
    »Sie waren also mit meinen Einsätzen zufrieden, Sir?« attackierte er den Untergrund-General.
    »Mehr als das, Poletto.«
    »Dann darf ich auch erwarten, daß Sie offen zu mir sind.«
    »Was meinen Sie damit?« fragte Wild Bill.
    »Bin ich der einzige, der aus Italien versetzt wird?«
    »Nein«, antwortete der General. »Wir haben fünf unserer besten Divisionen nach Frankreich verlegt.«
    »Ich spreche nicht von Soldaten, sondern von Agenten.«
    Wild Bill fixierte ihn. »Sowohl CIC wie OSS haben eine Reihe von Abwehrspezialisten anderen Ländern zugeteilt, in denen wir Krieg führen.«
    »Alles Männer mit italienischen Namen?« fragte Poletto hart.
    »Vorwiegend«, erwiderte William J. Donovan.
    »Dann könnte diese Maßnahme zum Beispiel auch Jack Panizza drohen, der sich so bravourös geschlagen hat – wenn er nicht unglücklicherweise ums Leben gekommen wäre?«
    »Das ist ziemlich spitzfindig formuliert, Poletto, aber nicht absolut falsch«, räumte der General ein. »Sie sind ein verdammt hartnäckiger Bursche.«
    »Sonst wäre ich nicht mehr am Leben, Sir«, entgegnete der Mann aus Chicago steif.
    »Nun hören Sie mir mal gut zu: Ich verstehe Ihren Grimm, und ich teile ihn voll und ganz. Ich bin selbst außer mir. Sie sollten wissen, daß ich kein Schwätzer bin.«
    »Und ob ich das weiß«, bestätigte der OSS-Agent.
    »Ich bin in dieser Sache eigens nach Washington geflogen. Ich habe alles versucht, um eine himmelschreiende Ungerechtigkeit zu verhindern. Es ist Ihnen bekannt, daß ich mit Roosevelt befreundet bin. Ich habe beim Präsidenten persönlich und energisch interveniert. Ich konnte mich bisher so gut wie immer gegen Widerstände der US-Army durchsetzen.«
    Er spuckte die Worte aus wie Sandkörner. »Es fällt mir verdammt schwer zuzugeben, daß ich zum ersten Mal unterlegen bin.«
    »Wem sind Sie unterlegen, Sir?« fragte Poletto unbarmherzig weiter.
    »Den Vorurteilen einiger Generale, die darauf bestehen, die Mehrzahl der Offiziere abzulösen, die Mafia-Kontakte hatten.«
    »Aber die Mafia-Kontakte hatten wir doch auf Befehl«, konterte Poletto. »Und sie haben der Army, soviel ich weiß, viel Blut gespart. Was geschieht eigentlich mit einem Mann, der die Befolgung von Befehlen verweigert?«
    »Er kommt vor das Kriegsgericht.«
    »Und was geschieht, wenn er Befehle ausführt?« fragte der OSS-Agent. »Dann wird er strafversetzt«, gab er sich selbst die Antwort.
    »Ich bin genauso empört wie Sie, Charly«, versicherte Donovan. »Nur gut, daß der Horizont Amerikas weit höher ist als der Verstand einiger Militärs.«
    Er reichte Poletto die Hand.
    Entgegen seiner Gewohnheit nahm er betont Haltung an. Er glaubte dem Geheimdienstchef, doch für ihn hatte er den Nimbus der Allmacht verloren.
    »Stehen Sie über den Dingen, Charly!« riet ihm der Untergrund-General. »Überschlafen Sie die Misere, und seien Sie am Morgen wieder Patriot!«
    Poletto kam nicht zum Schlafen, nicht in dieser Nacht, nicht in der nächsten. Bisher hatte er Wild Bills Weisungen buchstabengetreu ausgeführt, aber diesmal pfiff er auf seinen Ratschlag. Der Zorn machte ihn durstig und der Durst zornig, aber er konnte das Trauma seiner Jugend nicht mit Alkohol abreagieren. Patriot? Idiot! Solange sie dich brauchen, hängen sie dir Orden um. Danach mußt du mit ihnen feilschen, wieviel dein Bein oder dein Arm wert war, die dir weggeschossen wurden, und dabei sind sie dann beckmesserisch wie Stromableser. Und das Vaterland, für das du gekämpft hast, beschwören am lautesten politische Schwätzer, die unentwegt vom Frieden reden und die Rüstung vorantreiben. So war es noch immer gewesen, und so bliebe es, solange die heutigen – und gestrigen – auch die morgigen wären und ihren Bürgern den Ekel an der Politik auch noch als Staatsverdrossenheit vorwürfen.
    Charly Poletto dachte an Jack, Henry, Luigi, Harry, Mike, Carlo und die anderen Toten von La Spezia – in ein paar Monaten würden ihre Kameraden als Veteranen heimkehren und dann wieder Spaghettifresser, Polacken, Itzigs, Spiks, Rothäute oder Nigger sein. Weil die Vorurteile gegen ihn, den Dago zurückgekehrt waren, sollte er jetzt praktisch aus Italien verbannt werden. Den Gerüchten nach steckte ohnedies fast jeder Sizilianer mit der ›Onorata Società‹ unter einer Decke.
    Aber wie entzückt waren bei der Landung in Sizilien die amerikanischen und englischen Offiziere über den Stolz und die Großzügigkeit ihrer Helfer gewesen, die sie zuvor für

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