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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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zu hoher Stimme und sah besorgt nach oben. Am Himmel zeigten sich die ersten Silberstreifen. Fast gleichzeitig flammte der Kampflärm wieder auf; er war mindestens noch fünfzehn Kilometer entfernt, aber um das festzustellen, fehlte den Waffeneinkäufern die Fronterfahrung. Die beiden fürchteten, durch einen plötzlichen angloamerikanischen Vorstoß abgeschnitten zu werden; und sie hatten jeden Grund, sich von den Yankees nicht schnappen zu lassen.
    »Sicher hat sich die US-Transportmaschine verspätet«, tröstete sie der Calabrese. »Oder eine Autopanne. Molosso könnte natürlich auch von einer Streife der Feldgendarmerie aufgehalten worden sein.«
    »Er hat doch eine Bescheinigung, daß er in unserem Auftrag unterwegs ist«, entgegnete der Himmler-Agent.
    »Aber Sie wissen doch, wie gründlich die Deutschen sind, Signor Neuner«, sagte der Calabrese und grinste hinterhältig. »Ordnung, Ordnung über alles«, setzte er in gebrochenem Deutsch hinzu.
    Eigentlich war es lächerlich, sich wegen dieser feigen Dilettanten eine ganze Nacht um die Ohren zu schlagen. Wenn es nach ihm ginge, nähme man ihnen die 50.000 Pfund Bargeld ab und legte die Agenten formlos um. Die amerikanischen Maschinenpistolen ließen sich dann ein zweites Mal verkaufen; Interessenten gäbe es genug. Dieses einfache Verfahren hatte der Padrino dem Calabrese ausdrücklich verboten. Der Don betrieb offensichtlich eine Politik, die über den Horizont des Calabrese ging.
    »Sie können ja Zeit einsparen, Signor Neuner, wenn wir jetzt gleich abrechnen«, schlug der Unterhäuptling vor. »Sie könnten uns das Geld doch gleich übergeben.«
    »Kommt nicht in Frage«, erwiderte der Deutsche mit erregter Stimme. »Erst die Ware, dann das Geld. So lautet die Abmachung.« Er sah wieder auf die Uhr. »Wir können höchstens noch eine Viertelstunde zulegen«, entschied er und tauschte einen Blick mit seinem Begleiter. »Dann müssen wir weg.« Auch der zweite Agent nickte mit Nachdruck.
    »Zu Fuß?« höhnte der Calabrese.
    Wenn Molosso nicht umgehend auftauchte, träte eine neue Situation ein, und er müßte selbständig handeln. Das bedeutete, daß er die beiden Tedeschi auf keinen Fall mit den 50.000 Pfund weggehen ließe. Von Cesare und dem Vorposten abgesehen, hatte er vier Mann bei sich, die bereit waren, auf jeden Wink von ihm zu handeln, ohne vorher Fragen zu stellen; kam Molosso endlich an, war es gut, blieb er aus, jedenfalls weit lukrativer.
    Cesare hatte mindestens fünf Minuten lang laufen müssen, um den Bauernhof zu erreichen, auf dem sein Motorrad verwahrt war. Der Besitzer, der von der Bande bezahlt wurde, hatte es in das Haus genommen, um es vor Diebstahl zu schützen, aber Calabreses Kurier verfügte über einen zweiten Schlüssel.
    Er schob die schwere BMW hinaus, schwang sich in den Sattel und brauste mit abgeblendeten Scheinwerfern davon. Er fuhr zügig, hatte überall freie Fahrt und wunderte sich, daß er Molosso und seinen Leuten noch nicht begegnet war. Er rollte jetzt im Schritttempo über den verwachsenen Fußweg bis zum Fuß des Monte Serra; Cesare stellte die Maschine ab, flitzte zu dem Plateau hoch.
    Es war bereits so hell, daß er eine gute Sicht hatte – aber der Anblick, der sich ihm bot, war so grauenhaft, daß er im ersten Impuls auf- und davonlaufen wollte. Er zwang sich dazu, an die Toten heranzugehen; er glich dabei dem Mann auf dem Hochseil, der von einer plötzlichen Schwindelattacke befallen wird. Schaudernd sah er die starren Gesichter mit den aufgerissenen Augen. Um festzustellen, wen es erwischt hatte, mußte er die oberen Leichen wegschieben. Die zerschossenen Schädel der letzten beiden waren unkenntlich.
    Cesare spürte eine Übelkeit wie nie zuvor in seinem Leben. Alles drehte sich um ihn. Er lehnte sich an einen Baum, hielt sich daran fest, während sein Magen explodierte. Er atmete schwer, wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab, aber er hatte erfaßt, daß Molosso nicht unter den Toten war; ihn hätte er auch ohne Gesicht an seiner kolossalen Figur erkannt.
    Cesare suchte das Gelände ab, aber außer einer Vielzahl leerer Patronenhülsen war nichts zu finden. Die Bulldogge mußte entkommen sein.
    Oder gefangen? Und was dann?
    Cesare rannte zur BMW zurück; er mußte auf schnellstem Weg den Calabrese alarmieren und ihm mitteilen, daß die Lupini-Familie acht ›Soldaten‹ verloren hatte, die offensichtlich keine Chance gehabt hatten, sich zu wehren.
    Es war bereits taghell. Cesare fuhr wie ein

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