Pinien sind stumme Zeugen
Calabresen schon gekannt?« fragt Steel.
»Vom Wegsehen«, versetzt Sollfrei. »Wir waren vor ihm gewarnt worden. Die Bande war übrigens nicht ganz erledigt worden – der Calabrese hatte bald einen Nachfolger.«
»Filippo«, ergänzt Bruno, »ein widerlicher Kerl mit stechenden Augen und einer heiseren Stimme. Wir hatten nichts mit ihm zu tun. Wir haben uns von den Liebesmädchen konsequent ferngehalten.«
»Wie klug«, erwidert Bob Steel und sieht auf die Uhr; er hat eine kurze Nacht vor sich. Er nimmt einige Fotos, mischt sie wie ein Kartenspiel, übergibt sie Bruno: »Erkennen Sie einen der Männer wieder?«
Der Südtiroler zögert beim sechsten Foto, betrachtet den Mann mit dem wuchtigen Schädel, den leicht abstehenden Ohren auf dem zu langen Hals. Er übergibt es Peter.
»Klar, Bruno«, bestätigt der Tombolo-Gefährte. »Das ist der Amerikaner, dem du in italienischer Sprache erklärt hast, wie wir in die Pineta gekommen sind. Erinnerst du dich noch?«
»Er heißt Poletto«, sagt Steel. »Ein Italo-Amerikaner, der bei einem Kommando-Unternehmen hochgegangen ist.«
»So etwas Ähnliches hat er mir angedeutet«, entgegnet Bruno. »Wir haben in der Pineta praktisch sein Schlupfloch übernommen. Er wollte von uns wissen, wie die Front verlief. Dann hat er sich mit drei Amerikanern, zwei Engländern und drei Italienern in Richtung Alliierte abgesetzt.«
»Und eine Frau ist noch dazugestoßen«, ergänzt Sollfrei.
»Eine Puttana?«
»Nicht die Bohne. Ein Paradiesvogel, hochnäsig bis zum Geht-nicht-mehr. Die Italienerin sah aus wie ein Titelbild aus dem Modeheft, und das in dieser verwahrlosten Umgebung. Irgendwie mußte sie etwas ganz Besonderes sein – sie war erst ein paar Tage in der Pineta und ziemlich umwittert von Gerüchten.«
»Wissen Sie noch, wann dieser Ausbruchsversuch gestartet wurde?«
»Am 29. Juni 44«, antwortet Sollfrei nach kurzem Nachdenken.
»Wieso können Sie das so genau sagen?« erwidert der Investigator überrascht.
»Weil an diesem Tag die Räumung Livornos von den deutschen Truppen begann.«
Robert S. Steel nickt und erhebt sich. »Besten Dank. Sie haben uns sehr geholfen. Nun schlafen Sie ganz schnell. Sie werden morgens schon um sieben Uhr zum Flugplatz abgeholt«, verabschiedet er sich.
Der alerte Mittdreißiger läßt sich von Fred Gambler zum CIC-Headquarter bringen, seiner früheren Dienststelle. Von dort ruft er James A. Partaker in Washington an. »Craig Ginty ist vorangekommen«, erfährt er. »Er ist schon unterwegs nach Rom und wird Ihnen morgen alles persönlich berichten.«
Steel bedankt sich und legt auf.
Dann setzt er sich mit Frank Gellert in Bern in Verbindung, der unlängst Gipsy auf ihn angesetzt hatte. Er beordert den Schweizer Hauptagenten in die Ewige Stadt. Zum Schluß läßt er sich von der CIA-Residentur zwei Räume in der amerikanischen Botschaft an der Via Veneto abtreten, dem wohl einzig abhörsicheren Ort in der Stadt. Am nächsten Morgen ist das Flugwetter günstig. Die ›Convair‹ startet pünktlich. Kurz vor Mittag entsteigen der Maschine auf dem Militärflughafen von Rom Robert S. Steel, Mike Plesco und die beiden deutschen Zeugen, die bei Brunos Schwester Anna Maria wohnen werden. Während sich in der Via Sistina eine herzliche Familienbegrüßung abspielt, gilt für den Leiter der Sonderfahndung ganz in der Nähe ›Business as usual‹.
Die Ereignisse überschlagen sich. Die erste Überraschung bringt Frank Gellert: »Hätte ich gewußt, daß Sie Baron von Wintersheim suchen, hätte ich Ihnen sofort mit einem ganzen Roman dienen können: Die Amerikaner haben seine Schweizer Staatsangehörigkeit nicht anerkannt und seinen gesamten Besitz in den Staaten beschlagnahmt.«
»Mann, und wir suchen diesen Burschen wie eine Stecknadel!« erwidert Steel.
»Leider unter Konsul Bessermann, seinem falschen Namen«, antwortet Gellert und fährt fort: »Der Baron hat nicht nur deutsche Agenten während des Krieges finanziert, sondern das in ganz Europa von den Nazis zusammengeraubte Gold in der Schweiz in Devisen umgetauscht. Bei Chrom zum Beispiel war Hitler auf 99,8 bei Wolfram auf 75,9 Prozent auf Importe angewiesen. Chrom, härter als Eisen und Nickel, benötigte man für die Produktion von Mantelgeschossen und Kugellagern; Wolfram, ein rares silberweißes Schwermetall, für die Härtung vieler Stähle und Legierungen. Beim Eisenstahl war Großdeutschland zu 40 Prozent auf schwedische Importe angewiesen …«
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