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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Vermögen, einschließlich der Bildersammlungen, beschlagnahmt. Gleichzeitig wurde die Schweiz aufgefordert, auch hier Ihr Vermögen zu sistieren.«
    »Das ist doch wohl Wahnsinn!« protestierte der Baron. »Eine Dummheit – eine Verwechslung …«
    »Eine Verwechslung ist ausgeschlossen«, behauptete der unscheinbare Stichler. »Schon Ende 1942 wandte sich die US-Botschaft in dieser Sache an unser Außenministerium und verlangte eine Untersuchung …«
    »… mit der Sie sich drei Jahre Zeit ließen«, erwiderte der Angeschuldigte höhnisch.
    »Es war Krieg, und wir mußten Rücksicht auf die schweizerische Neutralität nehmen«, entgegnete der Polizeibeamte. »Aber nunmehr ersuche ich Sie, schnellstens eine Aufstellung Ihres gesamten Vermögens in unserem Land zu erstellen.«
    »Eine Infamie!« schrie der Finanzberater. »Ich weiß nicht, ob Sie größenwahnsinnig oder verrückt sind.«
    Er fixierte den Beamten zornig: billiger Konfektionsanzug, schlechte Manieren, ungepflegte Fingernägel und ein miserabler Zahnarzt (wie könnte er sonst zwei Goldzähne sichtbar anbringen?). »Ich weiß nicht, wer für diesen Unsinn verantwortlich ist«, sagte der Prominente mit gemäßigter Stimme, »aber Sie können sich darauf verlassen, Stichler, daß sich die Amerikaner unverzüglich bei mir entschuldigen werden.«
    »Das glaube ich nicht«, versetzte der zerknitterte Beamte.
    »Wie kommen Sie übrigens dazu, für ein fremdes Land Handlangerdienste zu leisten?« attackierte ihn der Baron. »Ich bin schließlich Schweizer Staatsbürger.«
    »Das«, antwortete Heinrich Stichler, vorsichtig, aber unnachgiebig, »wird von den Amerikanern ebenfalls bestritten.« Der Polizeibeamte entnahm seiner Aktentasche ein Schreiben. »Hier ist die Verfügung des Distriktgerichts von Columbia. Das Urteil wirft Ihnen eine Scheinstaatsbürgerschaft vor und wertet Sie als Deutschen, als Feind also …«
    Der Baron schüttelte den Kopf. »Lassen wir doch einmal diesen ganzen US-Unsinn beiseite.« Er zwang sich gewaltsam zur Ruhe. »Natürlich werde ich gegen diese Verleumdungen drüben mit allen Mitteln vorgehen – aber die Schweiz ist doch nicht der Erfüllungsgehilfe der USA. Hat Washington zu bestimmen, wer Eidgenosse ist?«
    Der Baron knallte seinen Paß mit dem Schweizer-Emblem auf den Tisch. »Haben Sie nicht die Pflicht, Ihre Bürger gegen Übergriffe einer ausländischen Macht zu schützen, statt sie mit lächerlichen Verleumdungen zu behelligen?«
    »Im Prinzip haben Sie recht«, bestätigte der Mann von der Fremdenpolizei. »Aber ich muß Ihnen weiter eröffnen, daß, gemäß Artikel 2, Absatz 1, des Bundesbeschlusses vom 11.11.41 über den Erwerb und Verlust des schweizerischen Bürgerrechts ein Verfahren gegen Sie mit dem Ziel eingeleitet wurde, Ihnen die eidgenössische Staatsangehörigkeit abzuerkennen.« Er holte kurz Luft und setzte hinzu: »Das ist innerhalb von zehn Jahren möglich; die Frist ist also noch nicht abgelaufen.«
    »Mit welcher Begründung?« fragte der Baron, gewaltsam beherrscht.
    »Wegen unschweizerischen Verhaltens.«
    »Gestützt auf welche Tatsachen?«
    »Sie haben während des Krieges Gold- und Devisentransaktionen in großer Höhe durchgeführt.«
    »Das ist mein Beruf«, erklärte der Finanzier. »Gewiß, ich habe daran verdient – aber von diesen Verdiensten habe ich zum Beispiel einen Fond für jüdische Kinder eingerichtet. Ich habe Emigranten aus Deutschland finanziell beigestanden. Ich bin mit Einstein befreundet, mit Emil Ludwig, mit Magnus Hirschfeld, mit Stefan Zweig – das sind alles jüdische Menschen. Und ich korrespondiere geschäftlich mit den Rothschilds.«
    »Das Gericht wird das sicher alles berücksichtigen«, behauptete der Fremdenpolizei-Kommissar.
    »Und wissen Sie eigentlich, wer am meisten an dem Gold- und Devisen-Transfer verdient hat?« schleuderte der Baron dem Zerknitterten ins Gesicht. »Ihr Land. Die Schweiz. Die – die Goldgenossen.«
    Kommissar Stichler sprang erregt hoch. »Das ist eine Unverschämtheit!« schimpfte er. »Wir sprechen uns noch, Herr Baron.«
    »Darauf können Sie sich verlassen«, entgegnete der Prominente. »Falls Sie bis dahin überhaupt noch im Dienst sein sollten.«
    Er rief seinen Anwalt in Zürich an und verabredete sich mit Dr. Hyazinth Frey für den nächsten Tag. Der gerissene Jurist war genau der richtige Mann für einen Fall, bei dem Mitschuldige versuchten, sich durch einen Sündenbock von der Vergangenheit loszukaufen. Der Jurist, ein

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