Pinien sind stumme Zeugen
bereits mit dem Andruck des Umschlags begonnen, von dessen Frontseite der republikanische Gegenkandidat – und Gouverneur von New York – als Sieger lächelt.
Robert S. Steel steht am Fenster seines Apartments im ›Plaza‹-Hotel, das dem Central Park schräg gegenüber liegt. In der ersten Abenddämmerung ziehen die Menschen paarweise in Manhattans riesige Lunge wie in die Arche Noah, je zwei von jeder Tiergattung auf der Flucht vor der großen Sintflut. Er beobachtet, wie sie stehenbleiben, sich umarmen, einander küssen und dann beim Weitergehen Liebesschwüre ablegen, die sie am nächsten Morgen vielleicht schon vergessen haben.
Seine Müdigkeit ist auf einmal wie weggeblasen. Er schilt sich einen Toren, er brauchte nur über den Gang zu Mrs. Gipsy Sandler zu gehen, um eine möglicherweise offene Zimmertüre einzurennen; aber als Routinier weiß er nur zu gut, daß ein Mann bei einer Frau, die er gerade kennengelernt hat, durch scheinbare Zurückhaltung am raschesten vorankommt. Jedenfalls brachten das dem bisherigen CIC-Captain Verstand und Erfahrung bei; doch wenn sich Adams verdammter Trieb rührt, wird sein Epigone leicht zum Amokläufer.
Steel bekämpft reizvolle Impressionen um die schwarze Madonna unter der Dusche. Das macht ihn nur noch munterer, die Versuchung läßt sich nicht wegschwemmen. Vorübergehend spürt er die Zeitverschiebung überhaupt nicht mehr. Dann denkt er wieder geordneter, auf einmal fällt ihm ein, daß zwölf ›Madisons‹-Dollar-Noten á fünftausend Greenbacks im Hotelsafe besser aufgehoben sind als unter seinem Kopfkissen. Er zieht sich an, geht nach unten, mietet ein Schließfach im Tresorraum, bringt im Metallbehältnis einen dicken braunen Umschlag unter.
Dann betritt er die Bar, um doch noch einen Schlummertrunk zu nehmen. Aus einem werden drei; dabei kommt Steel, wie er meint, die splendide Idee: Am hoteleigenen Blumenstand erwirbt er einen riesigen Strauß dunkelroter Baccaras. Er wird ihn vor die Tür legen, die Werbedame anrufen und sie bitten, die Rosen in eine Vase zu stecken. Vielleicht gibt ihm dabei das Telefongespräch eine Chance, schon heute zu erreichen, worauf er sich sonst bis morgen – oder vielleicht sogar bis übermorgen – gedulden müßte. Wenn er erst einmal einen Brückenkopf besitzt, fällt rasch die ganze Festung.
Der Ex-Captain fährt mit dem Lift zur dritten Etage hinauf, geht den langen Gang entlang auf der Suche nach dem Zimmer Nummer 331. Kurz bevor er das Ziel erreicht, öffnet sich die Tür, aber nicht die Madonna in Schwarz kommt heraus, sondern ein etwa vierzigjähriger Mann, mittelgroß und mittelgrau, so in Eile, daß er achtlos an dem Rosenkavalier vorbeihastet.
Im ersten Zorn möchte der Heimkehrer sich die Baccaras um die Ohren schlagen. Dann macht er sich klar, daß der Mann gegangen und nicht gekommen ist. Er deponiert den Strauß vor Zimmer 331, geht vier Türen zurück in sein eigenes Apartment und ruft seinen Reiseflirt an: »I dislike to disturb you, Gipsy«, beginnt er vorsichtig. »Aber ich möchte verhindern, daß die Rosen vor Ihrer Tür verwelken.«
Sie begreift ihn sofort. »Just a moment«, erwidert sie und geht vermutlich an die Tür. »Sie Verschwender«, sagt sie nach ihrer Rückkehr. »Thank you very much. Ich hab' noch nie in meinem Leben einen so schönen Blumenstrauß bekommen.«
»Auch nicht von Mr. Sandler?«
»Nicht einmal zur Hochzeit.«
»Auch nicht von dem Mann in Mittelgrau, der eben aus Ihrem Apartment kam?«
Gipsy Sandlers Stimme klingt ein wenig verärgert. »Was geht Sie das eigentlich an?« fragt sie. »Steh' ich unter Kuratel, oder haben Sie den Hoteldetektiv auf mich angesetzt?«
»Natürlich nicht«, entgegnet Steel. »Meine Rosen und mein Nebenbuhler wären beinahe zusammengestoßen.«
Sie schweigt einen Moment lang. »Ich sagte doch schon«, antwortet sie dann wieder mit ihrer gewöhnlichen Stimme, »daß ich für die Werbefirma ›Myers & Niggel‹ arbeite – und das war der Promotion Director.«
»Ein ziemlich neugieriger Bursche.«
»Er wollte sofort einen Überblick über die Resultate meines Europa-Trips erhalten.« Nach kurzer Pause setzt sie hinzu: »Es steht ja auch ziemlich viel Geld auf dem Spiel.«
»Na ja, wie ein Liebhaber sah er nicht gerade aus«, erwidert der Anrufer versöhnt.
»Wie sieht denn ein Liebhaber aus?« greift die Umworbene seine Entgleisung auf. »Etwa wie Sie?«
»Geben Sie mir eine Chance, Gipsy!«
»Sie hatten sie den ganzen Tag über«,
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