Pink Christmas 2 (German Edition)
eilte nach unten. Thomas stand vor der Tür und lächelte. Er sah gut aus. Das war eine der Sachen, um die ich ihn beneidete. Die andere war seine erfolgreiche Arbeit. Denn neben der journalistischen Tätigkeit arbeitete er als Fotograf und Redakteur und hatte selbst schon drei Bücher veröffentlicht. Ich öffnete die Tür und begrüßte ihn per Handschlag.
„Hey!“, rief ich. „Komm rein!“
„Hey!“, entgegnete er und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter.
Gleich darauf befreite er sich aus seiner Jacke. In der Hand hielt er einen schnieken Aktenkoffer. Thomas war etwas kleiner als ich, dafür zwei Jahre älter. Verheiratet war er nicht. Kinder hatte er auch keine. Aus zeitlichen Gründen, hatte er immer behauptet. Doch als ich kurz darüber nachdachte, schossen mir Marks Worte in den Kopf, dazu ein mulmiges Gefühl. Thomas schien meine wirren Gedanken zu bemerken.
„Ist was?“, fragte er. „Geht’s dir nicht gut?“
Anscheinend war ich blass geworden. Das spürte ich. Mir wurde kalt, dann wieder warm. Mein Körper spielte plötzlich völlig verrückt. Thomas trat auf mich zu und streckte eine Hand nach mir aus. Erschrocken wich ich zurück.
„Fass mich nicht an!“, rutschte es mir heraus.
Thomas wirkte verwirrt. „Martin, ist alles in Ordnung mit dir?“
„Ja, ich …“, stammelte ich und taumelte weitere Schritte rückwärts. „Ich bin … ich muss nur mal kurz an die frische Luft.“ Mit diesen Worten quetschte ich mich an Thomas vorbei, riss die Tür auf und ließ einen irritierten Journalisten zurück. Nur beiläufig nahm ich wahr, wie er mich noch eine ganze Weile mit seinem Blick durchbohrte, ehe er sich abwandte und Richtung Wohnzimmer verschwand.
Ich holte tief Luft. Die eisige Kälte sog sich wie Gift in meine Lungen. Mir wurde schwindelig. Was, wenn Thomas schwul war? Alles sprach dafür. Plötzlich wirkte alles so plausibel. Dass er keine Frau hatte, geschweige denn eine Freundin in all den Jahren, in denen ich ihn kannte.
„Fuck …“, nuschelte ich. Mir wurde schlecht. Nicht, weil Thomas schwul sein könnte, sondern viel mehr, weil ich ihn mochte; weil ich ihn als attraktiv empfand; weil ich ihn gern in meiner Nähe hatte.
Ich musste würgen. Noch gerade rechtzeitig beugte ich mich vor und erbrach mich über die Verandabrüstung. Ich wischte mir über den Mund und richtete mich wieder auf. Gleich darauf erschrak ich.
Da war er schon wieder. Mark. Er stand vor mir im Vorgarten und sah zu mir auf.
„Na, was ist los, Mister Werk?“, fragte er. „Sie wissen schon, dass sich die Erkenntnis nicht einfach auskotzen lässt?“
„Lass mich gefälligst in Ruhe!“, rief ich. „Hau endlich ab!“
Mark lachte gehässig. „Sie hätten mir sofort glauben sollen, dann wäre Ihnen dieser Schock erspart geblieben.“
„Verschwinde!“, rief ich. „Oder ich rufe die Polizei!“
„Tun Sie sich keinen Zwang an“, entgegnete Mark. Er trat um die Brüstung, schritt die Treppen hinauf und legte zwei weitere Filme auf die Fußmatte.
„Die hatte ich beim letzten Mal vergessen“, sagte er dazu. „Vielleicht schauen Sie sich die mal an? Vor allem der ältere ist sehr zu empfehlen.“
„Verschwinde endlich!“, schrie ich. Ich konnte mich kaum noch beherrschen.
Mark machte eine besänftigende Geste in meine Richtung. Fast, als wäre ich ein wildes Pferd, das es zu beruhigen galt.
„Schon gut, schon gut …“, flüsterte er. „Ich bin ja schon weg.“
Kurz darauf ging er tatsächlich.
„Und komm bloß nicht wieder!“, rief ich ihm nach. „Beim nächsten Mal rufe ich sofort die Bullen!“
„Mit wem redest du da?“
Ich zuckte zusammen und wandte mich um. In der Tür stand Thomas und wirkte sichtlich verwirrt. Noch bevor ich antworten konnte, fiel sein Blick auf die beiden DVDs, die Mark auf die Fußmatte gelegt hatte. Er bückte sich und hob sie auf. Ich wollte etwas zu meiner Verteidigung sagen, aber meine Kehle war wie zugeschnürt. Thomas inspizierte die Filme. Jeweils die Vorderseite, dann die Rückseite.
„Martin, ich …“, begann er dann, doch ich fiel ihm ins Wort.
„Lass uns das Interview verschieben“, sagte ich und sprach gefass ter als erwartet.
„In Ordnung“, erwiderte Thomas. Er griff nach seiner Jacke und klemmte die Aktentasche unter seinen Arm. Dann trat er auf mich zu und drückte mir die Filme in die Hand.
„Melde dich einfach, sobald du Zeit hast.“ Mehr sagte er nicht. Nach diesen Worten ging er und ließ mich zurück. Allein.
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