Pink Christmas 2 (German Edition)
Felipe hatte keine Wahl gehabt. Er verdiente das Geld für unser gemeinsames Leben. Ich dagegen konnte froh sein, dass er mir diesen Auftritt verschafft hatte. Normalerweise bekam ein Musikstudent keinen Solopart in so einer Aufführung. Auch nicht, wenn er ein Stipendium oder eine Ausbildung in der Meisterklasse eines Stars vorweisen konnte. Das hatte ich einzig und allein Felipe zu verdanken. Dank ihm ging meine Karriere steil bergauf.
Dennoch war ich verbittert. Ich hatte mir so gewünscht, dass wir unser erstes Weihnachten gemeinsam verbrachten. Doch Felipe war über die Feiertage in Mailand, während ich allein in dieser fremden Stadt war.
Vor ein paar Tagen noch hatten wir zusammen den Baum in unserer Wohnung geschmückt. Als ich das Gespräch auf Weihnachten brachte, reagierte Felipe verärgert. „Rate mal, weshalb wir uns dieses luxuriöse Appartement leisten können, he? Willst du, dass wir in den ärmlichen Opernhäusern der Provinzstädte auftreten?“
„Ich will doch nur mit dir zusammen sein!“
„Das sind wir doch.“
„Aber eben nicht an so einem wichtigen Tag wie Weihnachten.“
Felipe hatte mich zornig angesehen. „Entscheide dich, was du willst! Karriere und mit mir zusammen sein oder ein stinknormales Leben. Das kannst du dann aber allein führen!“ Dann war er, dank seines spanischen Temperamentes, aus dem Raum gestürmt. Bis zu Felipes Abreise am nächsten Morgen hatten wir kein Wort mehr miteinander gewechselt.
Ich zuckte zusammen, als die Altistin neben mir meinen Arm berührte. Ich hätte fast meinen Einsatz verpasst. Schnell stand ich auf, sah zum Dirigenten, holte tief Luft und sang. Sobald ich das tat, verflogen all meine Probleme. Das war schon immer so gewesen.
„Die Musiker gehen nachher noch ein bisschen feiern. Hast du Lust mitzukommen?“ Der dunkelblonde Mann, der mich ansprach, hielt eine Querflöte in der Hand. „Wenn du natürlich etwas anderes vorhast …“
Er schien mein überraschtes Schweigen misszuverstehen. „Nein, nein. Ich würde gern mitkommen“, antwortete ich schnell.
„Sehr schön.“ Er packte sein Instrument in einen kleinen Koffer und wendete sich wieder mir zu. „Ich heiße übrigens Ivan. Und du bist Ángel?“
„Ja, woher weißt du …?“
„Das steht auf den Plakaten.“ Er grinste mich an und mir kroch augenblicklich die Röte ins Gesicht.
Ivan lächelte. „Ich denke, du wirst dich daran gewöhnen. Wir Musiker sind im Orchester eine anonyme Masse, aber du als Solosänger bist der Blickfang.“
„Ich habe noch nicht so oft …“
„Kann ich mir bei deinem Alter schon denken. Aber man beginnt immer irgendwann zum ersten Mal. Und dann, eh man sich versieht, ist es Gewohnheit und man kann nicht mehr ohne.“ Wieder lächelte er. Seine makellosen Zähne blitzen im Scheinwerferlicht, das noch immer das Podium beleuchtete.
Ivan wusste nicht, wie recht er damit hatte. Für Felipe schien das alles schon Gewohnheit zu sein. Bei ihm war es selbstverständlich, dass der Beruf dem Privatleben gegenüber Vorrang hatte. Verärgert schüt telte ich diesen Gedanken ab. Ich wollte nicht über Felipe nachdenken. Viel lieber wollte ich heute Abend feiern. Und das taten wir auch.
Die Musiker waren eine ausgelassene Gesellschaft. Es wurde viel gescherzt und gelacht.
Ivan war die ganze Zeit sehr aufmerksam. Er schenkte mir neuen Wein ein und erzählte von seinen anderen Arrangements. Das war für mich ungewohnt. Normalerweise führte ich neben Felipe ein Schattendasein. Es machte mir eigentlich auch nichts aus, doch diese ungewohnte Freundlichkeit schmeichelte mir doch sehr. Immer wieder richtete Ivan das Wort an mich, fragte nach meiner Meinung, machte Witze und schien jede Gelegenheit zu nutzen, mir in die Augen zu blicken. Es war mir fast unangenehm … aber nur fast. Ich kam einfach nicht umhin, sein offenkundiges Interesse zu genießen. Wenn Felipe mich nur hier sehen könnte. Er würde sich bestimmt noch einmal überlegen, ob er einfach so für mehrere Tage verschwand.
„Es war echt schön, dich kennenzulernen.“ Wir standen am Taxistand und Ivan hielt mir die Autotür auf. „Hast du morgen, nach dem Konzert, schon was vor? Ach entschuldige“, er schlug sich gespielt an die Stirn. „Morgen ist doch Heilig Abend. Wie blöd von mir. Da hat jeder normale Mensch was vor.“
„Ich bin nicht normal“, flüsterte ich und Traurigkeit schwappte über mich hinweg, als ich an die leere Wohnung dachte, die mich erwartete. „Ich habe nichts
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