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Pink Hotel

Pink Hotel

Titel: Pink Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Stothard
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Nachdem
ich zwei Tage lang Däumchen gedreht und niemanden zum Reden gehabt hatte, außer
einem unangenehmen Verkäufer bei Radio Shack und dem vietnamesischen
Donutbäcker, der noch ein [63]  halbes Kind war und dessen Wortschatz sich auf die
Grundbegriffe seines Arbeitsplatzes beschränkte, sollte man meinen, ich hätte
inzwischen eine Idee, wie ich David ansprechen wollte. Ich hatte jedoch nicht
mal drüber nachgedacht, und als ich ihn sah, setzte mein Hirn völlig aus.
Versteckt hinter Sonnenbrille und Basecap blieb ich einfach auf den Stufen
hocken. Kurz nachdem David das Café betreten hatte, kam er mit einem Pappbecher
in der Hand wieder raus und ging denselben Weg zurück, den er gekommen war, am
Bürohaus vorbei und vier Querstraßen weiter zu seinem glänzenden schwarzen SUV . Von der anderen Straßenseite aus beobachtete ich,
wie er nach den Autoschlüsseln suchte und sich dabei heißen Kaffee über die
Hand kippte. Er fluchte leise vor sich hin, jedenfalls bewegten sich seine
Lippen, und saugte an der Hand, was mich an Enkidu aus Lilys Buch erinnerte.
Dann stellte er den Becher auf dem Autodach ab und schaffte es schließlich,
samt Kaffee einzusteigen. Die nächsten zehn Minuten saß er einfach nur da und
stierte vor sich hin, ohne einen Schluck zu trinken.
    An dem Abend rauchte ich eine nach der anderen am Fenster meines
Hostels, ehe ich mir das purpurrote Seidenkleid und die Lederjacke aus Lilys
Koffer anzog. Die Fesseln ihrer kniehohen Stiefel hatten Schweißflecken und
rieben mir an den Knöcheln. Im linken war innen an der Ferse sogar ein kleiner
Blutfleck, der wie eine verwischte Blüte aussah, vielleicht von einer
aufgeriebenen Blase. Bis zum nächsten Morgen sah ich keine Möglichkeit, David
wiederzufinden. Außerdem musste [64]  ich mir in Ruhe überlegen, was ich ihm sagen
wollte. Also nutzte ich die Zeit und ging zu einer kleinen Kneipe im Zentrum,
die einfach nur The Dragon hieß, nicht allzu weit von Davids Büro entfernt. The
Dragon war ein langer schlauchartiger Raum. Hinter der Bar, über Reihen von
Wodka-, Gin- und Wermutflaschen, befand sich ein aufwendiges Wandgemälde, das
eine Hirtenszene darstellte. Über der Eingangstür fletschte eine ausgestopfte
beigefarbene Raubkatze die Zähne, wacklig an einer Art Speer befestigt, und an
den Wänden hingen lauter Spiegel in unterschiedlichen Größen. An diesem Abend
regnete es. Im Spiegelmosaik um den Tresen sah ich, dass Lilys purpurrotes
Seidenkleid mir nicht stand. So schön es auch war, hochgeschlossen und mit
einem goldenen Reißverschluss entlang der Wirbelsäule, es ließ mich blass und
zu mager aussehen. Im Hostel hatte ich auch etwas Lippenstift von Lily ausprobiert,
ihn aber verunsichert in letzter Sekunde wieder abgewischt. Als ich in der
Kneipe ankam, hatte das Kleid Flecken vom schmutzigen Regen, und meine Haare
kräuselten sich.
    Anfangs sah ich nur einen Barkeeper, einen Mann, der das Wort
»Nomade« in Frakturschrift aufs Handgelenk tätowiert trug. Für so eine kleine
Kneipe war einiges los: Drei Pärchen saßen seitlich an Tischen, eine Gruppe
Studenten mit Bierflaschen und Büchern in einer Ecke. Gerade kramte ich in
meinem Rucksack nach dem Hochzeitsfoto, um den Nomaden-Barkeeper nach August zu
fragen, als dieser höchstpersönlich rückwärts aus der Küche kam, ein Tablett
mit geeisten Cocktailgläsern in den Händen. Er trug ein weißes [65]  Baumwollhemd,
die Ärmel bis über die Ellbogen hochgekrempelt waren. Er musste älter sein als
Dad, mindestens vierzig, sah dem jugendlichen Gesicht auf seinem Hochzeitsfoto
aber sehr ähnlich. Seine Augen blickten sanft, die Haut schien zart, und er
bewegte sich mit einer mühelosen Eleganz auf den Tresen zu, die sein Alter
Lügen strafte. Er hatte einen Gang wie eines der jugendlichen Models auf dem
Catwalk, der totale Gegensatz zum ungelenken und weit ausgreifenden Hinken des
Riesen, das mir am Morgen den Atem verschlagen hatte. August hatte braunes
lockiges Haar, das oben etwas schütter wurde und viel kürzer geschnitten war
als auf dem Hochzeitsfoto. Ohne mich anzusehen, fragte er barsch:
    »Was kann ich dir bringen?« Mit einem karierten Geschirrtuch wischte
er den Fleck von einem Cocktailglas.
    »Irgendwas, was schmeckt«, sagte ich. Nach einem ausdruckslosen
Seitenblick auf mich füllte er wortlos Eis in einen Tumbler. Darüber kippte er
eine durchsichtige Flüssigkeit, goss mit Wodka auf und rührte alles kräftig,
ehe er es in ein Martiniglas seihte. Als wringe er

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