Pink Hotel
wohl
auseinandergelebt.«
»Du hast gesagt, dass sie dich verlassen
hat.«
» Erst haben wir uns auseinandergelebt,
dann hat sie mich verlassen«, sagte er grinsend. Er hatte ein nettes Lächeln.
»Die meiste Zeit unserer Ehe war sie so unglaublich mitreißend, weißt du? Sie
hat einen in ihre Stimmungen reingezogen wie ein Tornado, aber irgendwann hat
sie es übertrieben. Sie hat in einer Kneipe im Zentrum gearbeitet, Julie’s
Place, und da hat sie was mit einem anderen angefangen. Dem Typ war ich ein
paarmal zuvor auf Partys und so begegnet. Das war so ’n Schleimscheißer, der
über der Bar gewohnt hat, einer von denen, die für ’n paar Zigaretten ihre
eigene Großmutter verkaufen würden.«
»Wie hieß er?«, fragte ich.
»Richard, glaub ich.«
»Sie hat ihn geheiratet«, sagte ich stirnrunzelnd. »Richard Harris?«
»Genau der.«
»Aber weißt du – so schlimm kann er nun auch wieder nicht gewesen
sein. Als Einfluss, meine ich. Ein Jahr nach [82] dieser Hochzeit hat Lily sich
zur Krankenpflegerin ausbilden lassen, wusstest du das? Ich hab ihr
Abgangszeugnis von einer Krankenpflegeschule gefunden, da stand drauf, dass sie
›engagiert und begeisterungsfähig‹ war.«
»Begeisterungsfähig stimmt schon«, sagte August. »Aber immer nur für
die falschen Sachen, jedenfalls solange ich mit ihr zusammen war. Aber du hast
recht, Richards gute Seiten haben mich nie sonderlich interessiert. Der wollte
mich ja nur aus dem Weg haben.«
»Hast du um sie gekämpft?«
»Eigentlich kaum. Wie gesagt, zu dem Zeitpunkt waren wir nicht mehr
auf Wolke sieben.«
»Weißt du was über ihre Zeit als Model?«
»Sie hatte da ein paar Sachen am Laufen, noch als wir zusammen
waren, Zahnpastareklame und all so was, aber sie hat dauernd ihre
Vorsprechtermine verpasst und ist zu Fotoshootings nicht aufgetaucht. Besonders
zuverlässig war sie nicht gerade, deine Mutter, aber wem sag ich das.«
»Sie muss sich aber gebessert haben, um Krankenpflegerin zu werden«,
wandte ich ein.
»Vielleicht hat sie sich verändert, wer weiß«, meinte August.
Eine Zeitlang schwiegen wir. Die Nacht draußen kam zur Ruhe. Wenn
man genau hinhörte, konnte man Autos wie Insekten die Straße unter seiner
Wohnung entlangbrummen und das Klacken von hohen Absätzen auf dem feuchten
Asphalt hören. Ich wandte den Kopf, um aus dem Fenster zu sehen, und mein Blick
fing diese besondere Atmosphäre ein, den fließenden Übergang, [83] wenn in
Großstädten gegen sechs Uhr morgens die Workaholics und Betrunkenen, Frühaufsteher
und Nachtschwärmer aufeinandertreffen. Picklige Teenager auf dem Nachhauseweg
von der Nachtschicht in irgendeiner Autowerkstatt schleppten ihre überlangen
Arme und Beine wie Fremdkörper mit sich herum und wechselten kein Wort miteinander.
Einer von ihnen stieß beinahe mit einem eleganten Geschäftsmann zusammen, der
wütend in seinen Mercedes stieg und den Tag schon jetzt verfluchte.
»Sie wollte eine Abtreibung. Mein Großvater hat es ihr ausgeredet«,
sagte ich zu August. Er setzte sich neben mich, und ich wandte ihm mein Gesicht
ein wenig zu. Das beige Leinensofa war ungemütlich und hatte einen Riss in der
Rückenlehne, als hätte er es sich am Straßenrand vom Sperrmüll geholt und nie
repariert.
»Tja, das klingt, als wär sie selbst noch ein halbes Kind gewesen;
deswegen kann man ihr keinen Vorwurf machen«, sagte er.
»Dad sagt, Lily sei nicht der mütterliche Typ gewesen – deshalb wird
sie mich wohl im Stich gelassen haben. Meine Großmutter, die Mutter meines
Dads, hat Lily zwei Goldfische geschenkt, als sie von ihrer Schwangerschaft
erfuhren. Lily hat einen von beiden Satan genannt, den anderen Guinevere, und
beide waren innerhalb einer Woche tot.«
August lachte.
»Das einzige Mal, als sie versucht haben, sie zum Stillen zu
bewegen, hat sie sich übergeben«, fuhr ich fort. »Sie hat mich nur berührt, wenn
es sich nicht vermeiden [84] ließ. Einmal hat sie mich sogar im Supermarkt
stehenlassen.«
»Absichtlich?«
Ich zuckte die Schultern und berührte Augusts braune Haut leicht mit
den Fingerspitzen, zog die Linien seiner Schultermuskeln nach und drückte
meinen Finger in die kleine Kuhle hinter seinem Ohrläppchen. Ich hielt inne,
abwartend, aber August hatte offensichtlich nichts dagegen. Ich küsste seine
Rippen und spürte die Knochen unter der Haut. August umfasste meine Hüfte und
zögerte kurz, ehe er mein Becken anhob, um sich in mich zu schieben. Er zog mir
sein blaues T-Shirt nicht
Weitere Kostenlose Bücher