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Pink Hotel

Pink Hotel

Titel: Pink Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Stothard
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streifte. Er
küsste mich unter dem Ohr. Er küsste mein Schulterblatt, hauchte feuchten Zigarettenatem
auf meine Haut. Bald war ich bis auf Slip und Stiefel nackt, seine Hände kalt
auf meiner Haut, aber ich war nicht bei der Sache. Lily hätte sich einem
solchen Moment bestimmt hingeben können, aber ich fühlte mich eher als
unbeteiligte Beobachterin. Ob sie sich in seinen Armen so wie ich bewegt hätte?
Wie fühlten [75]  sich ihre Finger auf seinem Körper an? Hatte er sie geliebt?
    »Warte«, sagte ich.
    »Psst… mmm«, murmelte er an meiner Haut, ohne mich richtig zu hören,
und ich genoss das Gefühl noch einen Moment. Ich hatte bisher schon ein paarmal
Sex gehabt, mit Laurence, dem Ladendieb. Als ich das erste Mal mit ihm
geschlafen hatte, waren mir die seltsamsten Dinge durch den Kopf gegangen. Ich
hatte dagelegen und mich gefragt, wer wohl Tapetenmuster entwarf und wie man
sie herstellte, und dann darüber nachgedacht, ob man wohl in einem Kochtopf
Zinn schmelzen konnte. Keine der Empfindungen zwischen meinen Beinen war mir
auch nur halb so interessant vorgekommen wie der Schmerz in meinen Knien, wenn
ich von einer besonders hohen Mauer sprang. Doch diesmal, mit August in der leeren
Kneipe, gab ich mir wirklich große Mühe, mich auf das Hier und Jetzt zu
konzentrieren, auf die Wirbel, die sich Augusts nackten Rücken hinabzogen, wie
sich der Boden unter meinen nackten Füßen anfühlte, als er meine Stiefel
öffnete und ich auf die Holzdielen trat. Doch meine Gedanken schweiften immer
wieder ab. Obwohl sich seine Zunge und Finger auf meiner Haut alles andere als
unangenehm anfühlten, war es immer noch so, als schaute ich uns aus einiger
Entfernung zu. Als er anfing, seinen Gürtel zu öffnen, runzelte ich die Stirn,
plötzlich aufgeschreckt.
    »Halt, warte. Halt, August.«
    »Woher kennst du meinen Namen?«, fragte er, nachdem er instinktiv
innegehalten hatte, eine Hand an der [76]  Gürtelschnalle. Er löste sich von mir
und sah mich im Halbdunkel an. »Ich hab dich irgendwo schon mal gesehen«,
setzte er nach, misstrauisch geworden. »Du bist mir gleich bekannt vorgekommen,
als du hier reinspaziert kamst. Ich hab zu Rob gesagt: Die war schon mal hier,
ich erkenn sie. Warst du vorher schon mal hier? Woher kenn ich dich?«
    Der Raum war zugig, und ich kam mir in meiner Unterwäsche
bloßgestellt vor, besonders weil er seine Hosen noch immer anhatte. Er machte
einen Schritt zurück und musterte mich, so dass ich mich beeilte, Lilys Kleid
aufzuheben und es mir wieder über den bleichen Körper zu ziehen, während er den
Blick nicht von mir wandte. Mit den Ellbogen blieb ich in den Armlöchern
stecken, und ein Knopf sprang von dem hochgeschlossenen Seidenstoff auf den
Boden.
    »Sorry, August, tut mir leid. Ich bin Lilys Tochter«, flüsterte ich,
während ich mir das Kleid zurechtrückte.
    Er erstarrte.
    »Wo ist sie?«, sagte er.

[77]  9
    Schuldbewusst hockte ich an dem Tisch, an dem ich den
ganzen Abend gelesen hatte; er saß am anderen Ende des Raums, den Kopf in beide
Hände gestützt, so dass ich das schütter werdende Haar über der Stirn sehen
konnte. Es dauerte eine halbe Stunde, bis ich ihn davon überzeugt hatte, dass
er unter gar keinen Umständen mein Vater sein konnte, und er sich halbwegs
beruhigt hatte.
    »Das sieht Lily ähnlich«, sagte er, als ich erzählte, dass sie auf
einem Highway in der Wüste gestorben war, weil sie keinen Helm getragen hatte.
»Ich wünschte, jemand hätte mir gesagt, dass sie gestorben ist.«
    »Wann hast du Lily das letzte Mal
gesehen?«
    »Dass muss zehn Jahre her sein«, sagte August. »Sie war
zweiundzwanzig, als wir uns scheiden ließen. Allerdings lief unsere Trennung
nicht gerade ausgesprochen harmonisch.«
    »Du hast sie nie wiedergesehen?«
    »Nein.«
    »Wie alt wart ihr, als ihr euch kennengelernt habt?«
    »Achtzehn«, sagte er. »Mit neunzehn geheiratet, drei Jahre später
die Scheidung.«
    »Wart ihr glücklich?«
    [78]  »In gewisser Weise schon.«
    »In welcher?«
    »Ich fühl mich irgendwie nicht ganz wohl dabei, mit dir darüber zu
reden«, sagte er. »Nicht zu fassen, dass ich grade versucht hab, Lilys Tochter
zu ficken.« Er lachte nervös, runzelte dann die Stirn und lachte noch einmal
kurz auf, den Blick von mir abgewandt.
    »Tut mir leid, dass ich es dir nicht eher erzählt hab«, sagte ich.
»Deshalb war ich heute Abend hier. Dann hab ich mir gedacht, ich warte besser,
bis alle weg sind, bevor ich damit ankomme, und dann… «
    »Und

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