Pink Hotel
schenkte fünf Gläser Tequila ein, dazu gab es Limettenviertel
und ein kleines Salzschälchen – eine Runde für die Geschäftsleute mit den
schmalen Krawatten. Er sah zu, wie sie den Schnaps kippten und das Salz von der
Haut zwischen Daumen und Zeigefinger lutschten, kam dann zu meiner Seite des Tresens
herüber, stellte mir ein Glas Cola hin und legte wortlos den [122] hübschen Kopf
schief. Sein Gesicht war viel schmaler als Davids. August war attraktiv, David
hingegen vielleicht nicht einmal gut aussehend, jedenfalls nicht im
herkömmlichen Sinne, mit seinen überlangen Armen und Beinen und den exzentrisch
hässlichen Klamotten. August zu sehen machte mich nervöser, als ich es auf dem
Weg hierher gewesen war. Ich trug Lilys knielanges schwarzes Kleid und diesmal
sogar einen Hauch ihres roten Lippenstifts. Ihre Ohrringe umrahmten mein blasses
ovales Gesicht, ihre Sonnenbrille hielt mir das Haar aus den Augen.
Ein paar Jahre nach diesem Abend unternahm ich tatsächlich noch
einmal den Versuch, August zu finden, aber die Dragon Bar war abgerissen
worden, zurückgeblieben war nur noch ein leeres, von graffitibedeckten Mauern
eingefasstes Grundstück, und niemand wusste etwas von ihm. Ich stelle mir gern
vor, dass er geheiratet und inzwischen eigene Kinder hat, vielleicht in einen
Vorort gezogen ist. Ich stelle mir gern vor, dass er sich einen Golden
Retriever angeschafft hat, der ihm ein wenig ähnlich sieht, und dass seine
zweite Frau ihre perfekt lackierten Zehennägel manchmal in den Sand bohrt, wie
Lily das vielleicht vor dem Lebensmittelladen in Jackpot getan hat, damals, als
die beiden selbst noch Kinder waren.
»Tut mir leid, dass ich neulich abgehauen bin«, sagte ich zu August.
»Kein Problem«, antwortete er ruhig und lächelte gezwungen.
»Aber es tut mir wirklich leid«, beteuerte ich.
»Nicht mal deine Handynummer auf dem Kissen?« [123] Jetzt zog er beim
Lächeln ein wenig linkisch die Augenbrauen hoch, etwas verlegen, aber amüsiert,
wie sich die Dinge zwischen uns entwickelt hatten. »Passt eher zu mir. Oder zu
Lily.«
»Echt?«, sagte ich. Ich drehte Lilys Tropfenohrringe zwischen meinen
Fingern und spielte mit ihrer Sonnenbrille.
»Einfach abgehauen!« Er lachte. »Du hast mir sogar mein T-Shirt und
meine Jogginghose geklaut.«
»Sorry.« Ich zog die beiden Kleidungsstücke aus meinem Rucksack und
reichte sie ihm in einer Plastiktüte über den Tresen. Ich bemerkte, wie Rob,
der Nomaden-Barkeeper, die Augen verdrehte, als August die Kleider nahm und
hinter der Bar verstaute.
»Weißt du noch, dass wir über Richard geredet haben, Lilys Mann?«,
fragte ich. August verzog das Gesicht.
»Sieh dich vor«, warnte er. »Ich glaub nicht, dass Lily mit
besonders netten Leuten zu tun hatte.«
»Genau das hat mein Dad mir auch gerade gesagt. Richard hat meinen
Dad angerufen, weil er mich sucht.«
»Er ist Mittwochabend auch hier in der Kneipe aufgekreuzt, einen Tag
nachdem du hier warst. Er wird sich gedacht haben, dass du mit Leuten reden
würdest, die Lily kannten«, sagte August. »So kam er wohl auf mich.«
»Und du hast ihm gesagt, dass ich hier
war?«
»Ich hab ihm gesagt, du würdest möglicherweise vorbeikommen. Ich hab
schließlich nicht gewusst, dass du ihn beklaut hast. Ich dachte, er macht sich
Sorgen um dich oder so.«
[124] »Ich hab mir ein paar Sachen genommen, so wie Lily es bestimmt
gewollt hätte«, sagte ich.
»Das sieht Richard aber ganz anders. Der Typ will sein Zeug
wiederhaben. Er hat eine Telefonnummer dagelassen, die ich dir geben soll, wenn
du wiederkommst.«
»Ich hab seine Telefonnummer schon.«
Ich drehte mein Colaglas in seiner kleinen Kondenswasserpfütze. Das
Deckenlicht spiegelte sich im Glasboden. In der Kneipe roch es nach Erdnüssen,
Popcorn und Zucker. Ich spürte, wie mich eine Woge heftiger Abneigung gegen
Richard erfasste und ich langsam Angst kriegte.
»Kennst du einen David Reed?«, fragte ich August. Ich verschränkte
die Hände auf der Theke und presste die Finger zusammen. »Ein Fotograf, der
Bilder von Lily gemacht hat. Ich glaub, da lief was zwischen den beiden.«
»Sagt mir nichts.«
»Aber sie hat wieder als Model gearbeitet, nachdem ihr geschieden
wart?«
»Darf ich dir einen Rat geben?«, fragte er.
»Von mir aus.«
»Es geht mich zwar nichts an, aber Richard ist nicht der Typ, mit
dem man sich anlegen sollte. Wenn sie was mit einem anderen hatte, behalt es
für dich. Wenn du ihm was geklaut hast, gib es zurück. Dem wollte
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