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Pink Hotel

Pink Hotel

Titel: Pink Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Stothard
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zuckte mit den
Schultern und betrachtete seine Nägel. Ich war gereizt und nervös. Dreharbeiten
laufen häufig auf Adderall, ein ADHS -Medikament,
von dem ich noch nie etwas gehört hatte, bis Sam es mir gab. In London nimmt es
niemand, jedenfalls nicht, dass ich wüsste, doch in Los Angeles war es wie der
morgendliche Kaffee. Eigentlich ist es für Leute gedacht, die Schwierigkeiten
haben, sich zu konzentrieren. Man wird davon schnell und aufmerksam, doch nach
einer Weile fühlt man sich nur noch [280]  ausgehöhlt und kann nicht mehr schlafen.
Auf Sams Set schluckten es alle.
    David rührte sein Frühstück nicht an. Er schien gar nicht richtig
wach zu sein, doch sein Körper kam mir vor wie der eines festgebundenen Ochsen
oder eines ruhiggestellten Pferdes. Er lehnte leicht vornübergebeugt auf dem
Tisch, und die Augen unter schweren Lidern folgten mir träge, während ich durch
die Küche ging.
    »Was ist denn los, David?«, fragte ich schließlich. »Was stimmt
nicht mit den Fotos? Du machst mir Angst.«
    »Wann gehst du heute zur Arbeit?«, fragte er zurück, blass, jedes
seiner Worte sorgfältig wählend.
    »Sam holt mich um drei ab«, sagte ich. »Scheiß drauf. Lass uns heute
noch nach Mexiko fahren. Können wir bitte heute nach Mexiko fahren? Oder auf
den Mond, nach Rio, wohin auch immer? Sam findet schon irgendein anderes
Skriptgirl, ist doch völlig unwichtig. Was ist los?«
    David sah aus, als hielte er den Atem an oder als bisse er sich auf
die Zunge.
    »Ich will jetzt nicht mit dir reden«, sagte er. »Ich muss raus, den
Kopf freikriegen. Okay?«
    Ich kam mir vor wie in einem von Sams Filmen, nur stimmten die
Perspektiven nicht. Oder als wäre ich mit David beim Figurenraten gelandet, und
wir hätten weder dieselben Bücher gelesen, noch dieselben Filme gesehen.
    »Was ist passiert? Wie ist es passiert?«, fragte ich.
    »Wann bist du wieder zu Hause?«, entgegnete er statt einer Antwort.
    [281]  »Die Dreharbeiten sind morgen um diese Zeit zu Ende. Ich muss da
aber nicht hin.«
    »Dann lass uns morgen reden.«
    »Machen wir wirklich grad einen Termin, um uns zu streiten? Lass uns
das doch gleich erledigen«, sagte ich.
    Er stand auf, nahe genug, um mich berühren zu können.
    »Nein«, sagte er.
    »Warum nicht jetzt?« Meine Stimme wurde schrill.
    »Weil keiner von uns geschlafen hat und ich deinen Anblick gerade
nicht ertrage«, sagte er. Als er die Hand hob, zuckte ich zurück, obwohl er nur
nach seiner Tasche griff, die an dem Haken hinter meinem Kopf hing. »Außerdem
hab ich einen Kater.« Meine Haut spannte sich in Erwartung eines Schlags, ich
spürte, wie das Blut in meinen Adern rauschte und ich rot wurde.
    »Es tut mir leid«, sagte ich.
    »Du bist eine Lügnerin.«
    »Ich hätte es dir sagen sollen.«
    »Ich hab echt Scheiße gebaut«, sagte David.
    Ich wusste nicht genau, was gerade passierte. Wenn ich die Szene
wiederholen könnte, würde ich ihn dazu bringen, dass er mich schlägt. Es hätte
mir gefallen, die Markierungen auf meinem Körper durch Davids Zorn zu ergänzen.
Bei all den spielerischen Kämpfen im Bett hatte er nie auch nur einen Kratzer
hinterlassen, und ich wünschte so sehr, er hätte es getan.
    »Ich werde dich nicht schlagen«, erklärte er bedächtig.
    »Warum schreist du mich nicht an?«
    [282]  »Valium«, antwortete er, und auf seinen Lippen zeigte sich fast
so etwas wie der Anflug eines Lächelns. Er hatte sich früher am Tag betrunken
und war wütend geworden, jetzt war er tatsächlich ruhiggestellt.
    »Es tut mir so leid«, wiederholte ich. Mehr fiel mir nicht ein. Es
klang lahm und belanglos. Ich wünschte, ich wäre da gewesen, als er den Stuhl
zertrümmert und Teller auf dem Boden zerschmettert hatte. Jeder körperliche
Schmerz wäre besser gewesen als die Leere, die er stattdessen in mir
hinterließ.
    »Sieh zu, dass du ein bisschen Schlaf kriegst«, sagte er. An der Tür
zögerte er kurz und warf mir einen seltsamen Blick aus seinen ungleichen grünen
Augen zu.

[283]  35
    Wie geplant, fuhr ich am Nachmittag in die Zoohandlung, in
der Annahme, wenn ich zurückkam, wäre David zu Hause, und wir könnten dann
irgendwie alles besprechen. Obwohl ich den Abend bis spät in die Nacht bei
schweißtreibenden Dreharbeiten verbringen würde, trug ich Davids marineblaues
Lieblingskleid, schwarze flache Pumps und die kleinen Perlenohrringe, die er
mir gekauft hatte. In den Drehpausen versammelten sich Sam und das Team draußen
auf dem Parkplatz, wo wir uns an

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