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Pink Hotel

Pink Hotel

Titel: Pink Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Stothard
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gesehen
und David mir vorgeworfen hatte, Geheimnisse vor ihm zu haben.
    »Ging so«, sagte David, während er das Handtuch fallen ließ und
begann, sich anzuziehen. Seine Bewegungen kamen mir langsam, irgendwie seltsam
vor – gehemmt [277]  und schleppend. Die Stimmung war ganz anders als noch in der
vergangenen Nacht bei unserem Gespräch über Urlaub auf dem Mond.
    »Soll ich dir Frühstück machen?«, fragte ich.
    Ich verkniff mir eine Bemerkung über die aufgeplatzten Knöchel
seiner Hand und auch dazu, dass etliche Teller aus dem Küchenschrank fehlten.
Er sah mich merkwürdig an, während ich in seiner kleinen, rosagefliesten Küche
Rührei machte. Plötzlich gab es eine Kluft zwischen uns, von der ich nicht
recht wusste, wie sie entstanden war. Er war eindeutig betrunken oder wurde
gerade wieder nüchtern. Ein Rückfall, der vielleicht gar nichts mit mir zu tun
hatte, dachte ich zuversichtlich, doch es war offensichtlich, dass auch sonst
irgendwas nicht stimmte. Ich spürte förmlich seine wütenden Gedanken, während
ich die Eier in einer geriffelten Glasschüssel verrührte und Milch zugab. Die
Dotter hüpften darin herum, und ich zerquetschte sie mit der Gabel an den
Seiten, vermischte sie wie ausblutende Meerestiere in der zähen Flüssigkeit um
sie her. Ich konzentrierte mich darauf, Salzkörner in die Mischung zu geben und
Olivenöl in der Pfanne zu erhitzen, ehe ich die Masse hineingab und zusah, wie
sie zischend fest wurde.
    Ich tat, als bemerkte ich nicht, wie meine Haut brannte, dort, wo er
mich anstarrte. Ich drehte mich um und lächelte ihn über den Küchentisch hinweg
gezwungen an. Beim Dreh hatte ich den ganzen Tag eins von Davids T-Shirts
getragen, von irgendeiner mir völlig unbekannten Death-Metal-Band, und die
Jeans, die er mir als Ersatz für Lilys hautenge Stonewashed-Jeans gekauft [278]  hatte.
Meine Haare waren inzwischen lang genug, dass ich sie als Pferdeschwanz tragen
konnte, auch wenn das Gummiband nur ein winziges Büschel blonder Haare
zusammenhielt. David hatte sich auf seine übliche absurde Art gekleidet –
löchrige Jogginghose mit sichtbarem Gummizug am Bund, darüber ein sorgfältig
gebügeltes, blaugestreiftes Hemd, auf dem kurzgeschorenen Schädel eine lila
Plastiksonnenbrille. Seine Haare waren noch feucht, und die Kamera lag im
Stand-by-Modus neben seiner Hand auf dem Tisch.
    »Möchtest du Käse in deinem Rührei?«, fragte ich ihn.
    »Macht man das in England so?«, erwiderte er mürrisch, worauf ich
mich umdrehte und einen Blick in den Kühlschrank warf, nur damit dessen Tür
mich vor Davids Blick abschirmte. Er war auch früher schon sauer auf mich
gewesen, aber immer nur kurz, und so schlimm wie dieses Mal hatte es sich noch
nie angefühlt. Wir hatten keinen Käse, und als ich mich wieder den Eiern in der
Pfanne zuwandte, waren sie schon gestockt. Ich rührte sie einmal rasch um,
kratzte den Ansatz vom Pfannenrand und steckte Toastscheiben in den Toaster.
Hätte ich geahnt, wie wichtig dieser Augenblick war, ich hätte etwas
Interessanteres mit den Eiern angestellt.
    Vielleicht wusste ich, was geschehen würde, wenn auch nicht, wie
oder warum. Vielleicht schob ich nur den Zeitpunkt hinaus, bis ich mich dem
Problem stellen musste, oder vielleicht wartete ich auch darauf, dass er als
Erster etwas sagte. Solange ich mich in Davids kleiner Küche mit den Eiern
beschäftigte, schien der Ärger hinter einer gläsernen Wand eingedämmt zu sein.
Ich [279]  fühlte mich angeschlagen, als hätte jemand meine Knöchel mit Sandsäcken
beschwert, doch es fühlte sich nicht wie das Ende der Welt an. Ich wollte mich
nur wie eine Katze zusammenrollen und bewusstlos sein, vorzugsweise in seiner
Nähe. Stattdessen bestrich ich seinen Toast mit Butter. Kaffeeduft aus der
blubbernden Maschine füllte die Küche.
    »Wie läuft’s bei Sam?«, sagte David schließlich, als ich ihm das
Rührei auf die Toastscheiben kippte und mich umdrehte, um ihm den Teller
hinzustellen. Dann drehte ich ihm wieder den Rücken zu und häufte mir das
restliche Rührei auf eine andere Toastscheibe.
    »Schon okay«, sagte ich. »Bisschen verrückt.«
    »Ihr dreht in einem Zoogeschäft, oder?«
    »Stimmt«, sagte ich und stocherte in meinem Essen herum. »Was hast
du so gemacht?« Ich hatte keinen Hunger. Er anscheinend auch nicht, weil er
nicht einmal zu Messer und Gabel griff.
    »Im Büro ein paar Fotos entwickelt«, sagte David.
    »Irgendwas Gutes dabei?«
    Die Unterhaltung stockte. David sah mich an,

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