PinkMuffin@BerryBlue. Betreff: FernWeh (German Edition)
geschlichen. (Hatte Colette bezahlt, damit sie unser Wachpersonal unten am Tor ablenkt.) Ich wollte gerade zur nächsten Querstraße laufen, weil ich dort immer die Taxis warten lasse, wenn ich mal ausbüxe. Ich war noch nicht an der Ecke, da fährt ein dunkler Wagen mit Chauffeur an mir vorbei. Das ist in unserer Gegend nichts Ungewöhnliches, weißt ja, ich wohne im Reichen-Ghetto. Als der Wagen aber an mir vorbeigefahren ist, hält er abrupt an und legt den Rückwärtsgang ein, setzt zurück und hält auf meiner Höhe. Das hintere Wagenfenster wird heruntergelassen und das Gesicht meines Vaters wird sichtbar.
Oh Mist!
»Hey, Paps!«, rufe ich. »Dich schickt der Himmel!«
Keine Ahnung, wieso ich das gesagt habe, aber mir schien es die einzig schlaue Reaktion zu sein.
Mein Vater ist natürlich misstrauisch. »Sag nur. Gibt es einen Grund für deine große Freude, mich zu sehen, während du auf der Straße entlangspazierst, obwohl du ohne Erlaubnis das Haus nicht verlassen darfst?«
»Moment«, sage ich. »Du hast gesagt, für schulische Aktivitäten wäre es okay.«
»Ach? Schule?«
Ich nicke und denke nach. Ich könnte mich von ihm zur Schule fahren lassen, aber da ist jetzt keine Socke und ich muss damit rechnen, dass er es überprüft. Außerdem hab ich nicht viel Zeit für Spielereien, weil Du ja mit der Creme vor der Firma auf mich wartest. Nächstes Problem: Wie erkläre ich meinem Vater Deine Anwesenheit dort? Okay, das verschiebe ich erst mal, darüber denke ich nach, wenn es so weit ist.
»Ich muss in die Firma«, sage ich geradeheraus, »genauer gesagt, ins Labor. Wegen Chemie. Bei uns im Chemiesaal sind die Bunsenbrenner geklaut worden und ich hab versprochen, für morgen neue zu besorgen.«
Mein Vater schaut mich einen Moment an, dann scheint er mir zu glauben. Auf seinem Gesicht deutet sich sogar ein Lächeln an.
»Steig ein«, sagt er. »Ich fahr dich hin.«
»Och, das ist nicht nötig«, versuche ich abzuwehren, »du hast doch bestimmt viel Wichtigeres zu tun.« Mir tut nämlich mein armer Taxifahrer leid, der um die Ecke wartet.
Das Lächeln verschwindet auf dem Gesicht meines Vaters. Also steig ich lieber schnell ein.
Ich strahle ihn an. »Tausend Dank, dass du den Umweg für mich machst!«
Er lächelt wieder. »Kein Problem. Ich muss auch in die Firma.«
Nun verlischt mein Strahlen. Ich hoffe in dem Moment nur noch, dass Du nicht da sein wirst. Denn wenn er Dich dort sieht, wird er unter Garantie ziemlich sauer. Ich kann Dir leider auch keine Mail schicken, das hätte meinen Vater nur misstrauisch gemacht. Also sitze ich mit ihm im Wagen, versuche ruhig durchzuatmen und hoffe auf ein Wunder.
Und das Wunder ist ja auch geschehen! Wir kommen an und keine Spur von Dir weit und breit!
Ein Hoch auf Sampft! Wie gut, dass er da war und dass Du Sampft als Überbringer von Diebesgut benutzen konntest! Hey, erste Sahne! Wirklich! Hut ab, Du hast Chuzpe! Ich könnte mich kringelig lachen. Sampft hat mir die Tüte sogar im Beisein meines Vaters gegeben!
Die beiden begrüßen sich und Sampft reicht mir die ALDI-Tüte mit den Worten: »Das soll ich Ihnen von Berry geben.«
Ich krieg den Schreck meines Lebens, weil in der Tüte ja die geklaute Creme drin ist.
»Was ist das für eine Tüte?«, fragt mein Vater auch sofort in einem harschen Ton.
Ich halte sie hoch und sage: »ALDI.«
»Das sehe ich selbst. Was ist drin?«
»Och«, meine ich ausweichend, »ich hab Berry gebeten, mir was zu besorgen.«
»Was?«, fragt mein Vater weiter und wird noch etwas strenger im Ton.
»Na, eben Kram.« Ich gucke in die Tüte, sehe die Creme, aber Gott sei Dank auch noch anderes Zeug. Ich greife rein und ziehe eine Packung Hüttenkäse raus.
Der Gesichtsausdruck meines Vaters verbessert sich nicht. Also wühle ich in der Tüte herum und berichte meinem Vater, was ich entdecke.
»Kalt geschleuderter Tannenhonig, Halbfett-Margarine, Schweizer Emmentaler, vegetarische Gutsleberwurst, Hustensaft mit hohem Eukalyptus-Anteil .. .« Ich breche meine Aufzählung ab. Das hilft mir nun wirklich nicht weiter.
Was sollte das? Warst Du einkaufen? Wobei – ehrlich gesagt war ich ja froh, dass außer dem Tiegel noch so viel anderer Kram in der Tüte war, das war zumindest ’ne gute Tarnung.
»Und was soll das bitte?«, bellt mein Vater.
Ich finde so schnell keine Erklärung. Weil es keine vernünftige Erklärung gibt.
Mein Vater schaut mich weiterhin streng an.
Ich versuche es mit einem Gegenangriff. »Was?!
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