PinkMuffin@BerryBlue. Betreff: IrrLäufer (German Edition)
BerryBlue
An: PinkMuffin
Betreff: Colette und keine Schwester
Hi, MAX!
Keine Panik. Deine Kohle ist bei mir gut aufgehoben. Ich kann sowieso nichts damit anfangen. Ha, ha! Nee, im Ernst, mach Dir keine Sorgen. Aber dass Du glaubst, ich hätte was aus dem Labor geklaut! Noch nicht mal einen Schweineköttel habe ich mitgenommen, obwohl genug davon rumlagen!
Mir geht im Augenblick sowieso was ganz anderes nicht mehr aus dem Kopf: Colette und keine Schwester! Das passt! Eure Colette hängt da auch mit drin. Das weiß ich, seit ich bei Kuhlhardt war! Nur was die Hundehütte und die stinkende Decke damit zu tun haben, weiß ich immer noch nicht. Die hab ich mir bestimmt nicht eingebildet. Wenn Du schon mal ’ne Nacht in so einem Teil geschlafen hättest, wüsstest Du, dass man sich so was nicht einbilden kann! Da hilft auch der Frühstückservice nichts.
Aber jetzt mal der Reihe nach. Gestern hatte ich wirklich voll den Stress. Unser Zocker-Club war wieder da: vier Omas. Die vier verbinden zwei Sachen: Sie wohnen im selben Altersheim und sie pokern. Im Altersheim dürfen sie das nicht mehr, darum ziehen sie durch die Cafés und Kneipen. Ab und zu sind wir halt dran. Meine Mutter bekommt die Krise, wenn sie die nur sieht. Sie bestellen sich immer vier Tassen Kaffee und ein Stück Mohnkuchen mit vier Gabeln. Daran mümmeln sie dann stundenlang herum und blockieren unseren besten Fenstertisch. Nun könnte man ja denken, die pokern um harmlose Sachen wie Corega Tabs oder Walkürenbällchen. Keine Spur! Die verzocken ihre ganze Witwenrente! Auf dem Tisch liegen immer nur ein paar Cents, aber unterm Tisch, da knistern die Scheine.
Wär ja eigentlich kein Stress für mich, wenn sie mich nicht ständig zu sich rufen würden: „Sieh mal, Berry! Hab ich nicht ein Bombenblatt?“ oder „Margarethe hat schon wieder geschummelt! Fünf Asse! Wo gibt’s denn so was!“ oder „Berry, kannst du mir bitte meine halbe Tasse Kaffee noch mal aufwärmen?“
Ich hab alles geduldig über mich ergehen lassen. Ich übe nämlich jetzt Coolsein, musst Du wissen. Klappt nur nicht immer, denn dann ist die Kichergang wieder aufgetaucht und ist mir mit meinen angeblich „süßen Jeans“ und meiner angeblich „süßen Frisur“ und meinen angeblich „süßen Augen“ auf den Zeiger gegangen.
Irgendwann hatte ich die Nase voll, hab meiner Mutter Schürze und Tablett in die Hand gedrückt und bin weg. Das Geld war mir zu sauer verdient.
Ich dachte mir, ich geh zu Kuhlhardt. Dann ist der Tag nicht ganz versaut.
Es fing auch ganz gut an. Zumindest lächelt mich Milfina an, als ich ihr Chaosbüro betrete.
„Berry the Blue!“, juchzt sie. „Endlich wieder einmal ein junges hübsches Gesicht!“
Erstens wehre ich mich nicht mehr gegen „Berry the Blue“ und zweitens dachte ich: War wohl schon lange keine Brille mehr bei ALDI im Angebot.
„Ist Lipinski da?“, frage ich dann vorsichtig. Allmählich gehen mir nämlich die sauberen Hosen aus.
„Nein, der hat Außendienst.“
„Vor einer Reinigung? Um deren Geschäft anzukurbeln?“, frage ich grinsend.
Milfina rümpft ihre Nase. „Das weiß ich nicht. Die Herren informieren mich nur selten über ihre Einsätze. Aber wenn dann etwas schiefgeht, bin ich es natürlich wieder gewesen.“ Bevor ich sie bedauern kann, hellt sich ihr Gesicht plötzlich wieder auf und sie zeigt mit einer unbestimmten Handbewegung auf ihre Discounterschätze. „Sind sie nicht schön?“
Ich schau mich um. Aber es sieht genauso aus wie bei meinem letzten Besuch.
„Wer ist schön?“, frage ich Blödmann dann auch noch.
„Die Handtücher! Ganz günstig!“
„Welche Handtücher?“
„Ach, die sind ja von den Küchenrollen verdeckt!“, ruft sie und springt auf. „Waren auch im Angebot. Mit Blumenmuster und extrem saugfähig!“
Ich will höflich sein und sage: „Kann man immer gut gebrauchen. Bei uns im Café –“
„Du kannst sie gebrauchen?“, kreischt sie, holt zwei Zehnerpakete Küchenrollen hervor und drückt sie mir unter die Arme. „Die schenke ich dir!“
„Danke. Kann ich jetzt Kuhlhardt sprechen?“
„Er ist in seinem Büro. Geh nur hinein.“
„Einfach so?“, frage ich. „Und wenn ich ihn bei einer wichtigen Sache störe?“
„Kuhlhardt kann man nicht stören. Und bei wichtigen Sachen schon gar nicht“, sagt sie nur.
Ich also in Kuhlhardts leeres Büro rein, links ein Paket Küchenrollen unter dem Arm, rechts ein Paket Küchenrollen unter dem Arm. Kuhlhardt sitzt
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